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Interview-Projekt mit Shoah-Überlebenden  
  Noch gibt es rund 5.000 Juden in Israel, die in Österreich geboren wurden und den Holocaust überlebten. Historiker haben nun ein Interview-Projekt vorgestellt, bei dem einige dieser Überlebenden über ihr Schicksal berichten. Ihre Einstellung gegenüber dem heutigen Österreich ist von Ambivalenz geprägt.  
"Auf der einen Seite betonen viele der Überlebenden ihre Liebe für die Kultur und die Landschaft Österreichs. Auf der anderen Seite stehen die Erinnerungen an Vertreibung und Ermordung von Familienmitgliedern und Bekannten im Mittelpunkt. Und nicht zuletzt der beschämende Umgang der Zweiten Republik mit den Vertriebenen", berichtet Dieter Hecht.

Der freie Historiker aus Wien hat das Interviewprojekt für das "Zentralkomitee der Juden aus Österreich in Israel" auf Initiative seines Vorsitzenden, Gideon Eckhaus, in Kooperation mit Albert Lichtblau (Uni Salzburg) durchgeführt.
15 DVDs für die weitere Forschung
Das Projekt "Mutterland-Vatersprache" wurde vom Bildungsministerium und vom Nationalfonds gefördert und wurde im September 2006 im Jüdischen Museum Wien erstmals in Österreich präsentiert.

Insgesamt führte der Historiker 31 Interviews mit Shoah-Überlebenden österreichisch-jüdischer Herkunft in Israel durch. Rund die Hälfte ist nun gemeinsam mit einem wissenschaftlichen Begleitbuch als DVD-Reihe erschienen.

Sie ist nicht im Handel erhältlich, sondern wurde vor allem für weitere wissenschaftliche Forschung produziert. Eine didaktisch aufbereitete Version für den Einsatz an Schulen sei geplant, so Hecht gegenüber science.ORF.at.
Kein Vergleich mit Spielberg-Projekt
Mit dem Projekt der "Shoah Foundation" des amerikanischen Filmregisseurs Steven Spielberg könne sich "Mutterland-Vatersprache" nicht vergleichen. Schon alleine wegen der Ausmaße: Die "Shoah Foundation" hat mittlerweile über 50.000 Videos mit Interviews von Holocaust-Überlebenden aufgenommen. Die Zeitzeugen leben heute in 56 Ländern und sprechen 32 verschiedene Sprachen.

"Klein, aber fein", ist so das implizite Motto von Hecht. Die Gespräche, die er geführt hat, enden im Gegensatz zur Spielberg-Variante auch nicht mit dem Holocaust. "Das Leben danach" war ihm genauso wichtig: die Erfahrungen in Israel und die spätere Beziehung zu Österreich.
Niemand bekam Österreich-Einladung
Diese Beziehungen haben sich bei den 31 Interviewpartnern und -partnerinnen sehr unterschiedlich entwickelt: Einige kommen immer wieder nach Österreich.

Manche besuchten ihre Heimat, aus der sie vertrieben wurden, einmal oder nie. Andere kommen mit Kindern oder Enkeln, um ihre eigenen Wurzeln zu zeigen.

Gemeinsam ist den InterviewpartnerInnen laut Hecht eines: Niemand habe in der Nachkriegszeit eine offizielle Einladung der Republik Österreich bekommen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 12.9.06
->   Shoah Foundation
 
 
 
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01.01.2010