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Neandertaler lebten länger als angenommen  
  Möglicherweise sind die Neandertaler in Europa erst vor 24.000 Jahren ausgestorben - also um Tausende Jahre später als bisher vermutet. Das legt die Datierung von Fundstücken aus einer Höhle auf Gibraltar nahe. Die Höhle könnte einer der letzten Zufluchtsorte gewesen sein, als der moderne Mensch seinen Verwandten verdrängte.  
Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam um Clive Finlayson vom Gibraltar Museum.
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Der Artikel "Late survival of Neanderthals at the southernmost extreme of Europe" von Clive Finlayson et al. erscheint am 14. September 2006 in der Zeitschrift "Nature" (Ausgabe 443, DOI: 10.1038/nature05195)
->   Abstract in Nature
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Holzkohle Indiz für längeres Überleben
In der von Neandertalern bewohnten Goram-Höhle auf Gibraltar war Holzkohle aus Herdstellen gefunden worden, die aus einer Zeit lange nach dem bisher vermuteten Aussterben dieser Menschenart stammt.

Dem Alter der Holzkohlenreste zufolge könnten Neandertaler bis vor "28.000 und möglicherweise sogar bis noch vor 24.000 Jahren" in Europa gelebt haben, schreiben die Autoren unter Berufung auf ihre Untersuchungen mit Massenspektrometern.

Bisher wird ein Verschwinden der Neandertaler vor 30.000 bis 33.000 Jahren angenommen.
Werkzeuge und Tierknochen entdeckt
Die Forscher entdeckten unter anderem zahlreiche für Neandertaler typische Werkzeuge und viele Tierknochen. Diese weisen Schnitt- und andere Spuren von Steinklingen auf. Viel spreche dafür, dass die Tiere von außerhalb in die Höhle gebracht und dort zerlegt wurden, so die Wissenschaftler.

Die Entdeckung liefere weitere Hinweise darauf, dass sich Neandertaler und die Vorfahren des heutigen Menschen in Europa auf der iberischen Halbinsel getroffen haben, schreibt die Gruppe in ihrer Studie.
Mekka der Neandertaler-Forschung
In der vielgestaltigen Umgebung der Höhle - dort gab es Feuchtgebiete, die Küste, Felsen und Grasland - hätten die Neandertaler zahlreiche Pflanzen und Tiere für ihre Ernährung finden können. Diese günstigen Umstände hätten ihnen das lange Überleben womöglich erleichtert, schreiben die Forscher.

In Gibraltar gab es bereits mehrere Neandertaler-Funde, der erste datiert aus dem Jahr 1848. In einem begleitenden Text schreibt Katerina Harvati vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, dass die Rolle der Region als wichtiges Refugium für den Urmenschen erneut bestätigt wurde.
Kreuzung zweier Menschenarten?
Sollten die Neandertaler tatsächlich bis vor 24.000 Jahren überlebt haben, werfe das zugleich ein neues Licht auf das Kind von Lagar Velho, das in Portugal gefunden wurde. Sein Alter wird auf 24.500 Jahre geschätzt.

Weil das jugendliche Skelett sowohl Merkmale des modernen Menschen als auch des Neandertalers zeigt, vermuten viele Forscher, dass es sich um eine Kreuzung zwischen beiden handeln könnte.

Bisher wurde das auch deshalb in Zweifel gezogen, weil angenommen wurde, dass der Neandertaler dafür zu früh ausgestorben sei. Die neuen Daten ließen das aber möglich erscheinen, erklärt Harvati.

[science.ORF.at/dpa/AFP, 14.9.06]
->   Clive Finlayson, Gibraltar Museum
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01.01.2010