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Erstes Baum-Genom entziffert  
  Das menschliche Erbgut wurde bereits im Jahr 2001 entziffert, danach folgten unter anderen Schimpanse, Hund und Katze. Nun reiht sich auch der erste Baum in die illustre Runde der genetisch durchleuchteten Organismen ein: die amerikanische Balsampappel.  
Eines der Ergebnisse: Mit rund 45.000 Genen besitzt die Pappel klar mehr Erbfaktoren als der Mensch. Das berichtet ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Oak Ridge National Laboratory.
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Die Studie "The Genome of Black Cottonwood, Populus trichocarpa (Torr. & Gray)" von G. A. Tuskan et al. erschien in "Science" (Bd. 313, S. 1596-1604; doi: 10.1126/science.1128691).
->   Abstract
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Modellorganismus
Die Pappel ist gewissermaßen die Laborratte unter den Bäumen. Wie Fruchtfliege, Fadenwurm und Ackerschmalwand ist auch Populus trichocarpa unter den Genetikern sehr beliebt. Zum einen, weil die Pappel ein überschaubares Genom aufweist, zum anderen, weil sie äußerst schnell wächst und somit die Wirkung von Eingriffen ins Erbgut nach weniger als einem Jahr überprüft werden kann.

Dass nach Reis und Ackerschmalwand nun als dritte Pflanze ein Baum für die umfassende Genom-Analyse ausgewählt wurde, hat freilich auch wirtschaftliche und ökologische Gründe. Wälder bedecken rund 30 Prozent der Kontinente (ca. 3,8 Milliarden Hektar), stellen Hochburgen der Artenvielfalt dar und sind maßgeblich an den globalen Kreisläufen von Wasser und Nährstoffen beteiligt.
Mehr Gene als der Mensch
Die nun in "Science" publizierte Studie liest sich naturgemäß etwas technisch, geht es doch zunächst nur um eine quantitative Beschreibung des Pappelgenoms - sprich: die korrekte Entzifferung der rund 485 Millionen genetischen Buchstaben. Ein paar anschauliche Ergebnisse gibt es dennoch: Einer ersten Schätzung zufolge dürften 45.000 der Pappel-Gene Proteine herstellen.

Zum Vergleich: Der Mensch besitzt nach neueren Untersuchungen lediglich 20 bis 25.000 solcher Protein-kodierenden Gene (Nature 431, 931). Diese Niederlage in quantitativer Hinsicht ist für Homo sapiens allerdings nicht neues. In puncto Genomgröße sind wir etwa auch diversen Lungenfischen, Molchen und Liliengewächse klar unterlegen.
->   Animal Genome Size Database
Evolution in drei Etappen
Die Analyse ergab außerdem, dass das Erbgut der Pappel im Lauf seiner Entwicklung einige Verdoppelungen durchgemacht hat: das erste Mal bei der evolutionären "Erfindung" der so genannten Bedecktsamer - eine große Pflanzengruppe, zu der außer Palmfarnen, Gingko- und Nadelgewächsen alle Samenpflanzen gehören.

Ein zweites und drittes Mal verdoppelte sich das Pappel-Erbgut vor rund 100 und 60 Millionen Jahren. Damit entstanden Gene, die neue Funktionen übernehmen konnten und so die Spezialisierung der Pflanze vorantrieben. Im Fall der Pappel etwa für die Synthese von Holzstoff, Zellulose sowie für den programmierten Zelltod, der für das saisonale Wachstum und den herbstlichen Abwurf der Blätter wichtig sein dürfte.
Neue Varianten für die Holzproduktion
Holz-bildende Gene gibt es allerdings nicht nur bei Bäumen, wie Berthold Heinze vom Forschungszentrum Wald in Wien, Co-Autor der Studie, betont: Sie finden auch im Erbgut von krautigen Pflanzen - wie etwa die Ackerschmalwand. Allerdings sind sie dort weniger zahlreich und auch weniger aktiv.

Mit diesem ersten Einblick in das Pappel-Erbgut wollen die Forscher laut "Science" nun neue Mutanten schaffen, die längere Wachstumsperioden aufweisen und mehr Biomasse bilden - für die Produktion von Papier, Holz und Biotreibstoffen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 15.9.06
->   Oak Ridge National Laboratory
->   Forschungszentrum Wald
 
 
 
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01.01.2010