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Erste Quantenteleportation zwischen Licht und Materie  
  Bei der Quantenteleportation wird der Zustand eines Teilchens an einen beliebigen anderen Ort übertragen. Diese - etwas salopp auch als "Beamen" bezeichnete - Technik wurde in den 1990er Jahren erstmals zwischen Lichtteilchen realisiert. Später gelangen solche "spukhaften" Übertragungen auch an Ionen. Physiker haben nun erstmals Zustände zwischen zwei völlig verschiedenen Medien teleportiert - nämlich zwischen Licht und Materie.  
Dieses Ergebnis ist nicht nur für die Grundlagenforschung interessant, sondern vor allem auch für die praktische Anwendung bei der Realisierung von Quanten-Computern oder der Übermittlung verschlüsselter Daten (Quantenkryptographie).
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Die Studie "Quantum teleportation between light and matter" von Jacob F. Sherson et al. erschien in "Nature" (Bd. 443, S. 557-560; doi:10.1038/nature05136).
->   Abstract
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Umgehung der Heisenbergschen Unschärfe
Seit Beginn der 1990er-Jahre hat die Erforschung der Quantenteleportation bei theoretischen und experimentellen Physikern Hochkonjunktur. Bei der Übermittlung von Quanteninformationen tritt ein grundsätzliches Problem auf: Nach der Heisenbergschen Unschärferelation lassen sich zwei komplementäre Eigenschaften eines Quantenteilchen - etwa Ort und Impuls - nicht gleichzeitig präzise messen.

Die gesamte Information des Systems muss also übertragen werden, ohne dass man sie vollständig kennt. Doch die Natur der Teilchen hält auch die Lösung für dieses Problem bereit:

Sie liegt in der Möglichkeit, zwei Teilchen miteinander so zu "verschränken", dass deren Eigenschaften perfekt korreliert sind. Misst man eine bestimmte Eigenschaft an einem der "Zwillingsteilchen", so ist damit die entsprechende Eigenschaft des anderen automatisch und mit sofortiger Wirkung festgelegt.
->   Quantenteleportation - Wikipedia
Der Trick mit der Verschränkung
Mit Hilfe verschränkter Teilchen lässt sich eine erfolgreiche Quantenteleportation in etwa folgendermaßen durchführen: Man erzeugt ein Hilfspaar von miteinander verschränkten Teilchen, die jeweils an "Alice" bzw. "Bob" verschickt werden.

Die Bezeichnungen "Alice" und "Bob" haben sich eingebürgert, um das Versenden von Quanteninformationen von A nach B zu beschreiben. Alice verschränkt nun das Objekt, das sie teleportieren will, mit einem der Hilfsteilchen, und misst anschließend den gemeinsamen Zustand (eine so genannte Bell-Messung).

Das Ergebnis schickt sie auf klassischem Weg an Bob. Der wendet es auf sein Hilfsteilchen an und "zaubert" daraus das Teleportationsobjekt.
->   Quantenverschränkung - Wikipedia
Idee von Cirac und Hammerer umgesetzt
Handelt es sich bei solchen "Gebrauchsanleitungen" um bloße Gedankenspiele? Die große Herausforderung für theoretische Physiker besteht darin, Konzepte auszuarbeiten, die sich auch in die Praxis umsetzen lassen.

Das hier beschriebene Experiment, das von einem Forscherteam um Eugene Polzik am Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen durchgeführt wurde, geht auf einen Vorschlag von Ignacio Cirac vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) in Garching bei München und seinem Mitarbeiter Klemens Hammerer (damals ebenfalls MPQ, seit kurzem Universität Innsbruck) zurück.
Experiment: Wechselwirkung zwischen Licht und Materie
Zunächst wird das "Zwillings-Pärchen" erzeugt, indem ein starker Lichtpuls auf ein mit Cäsiumgas (etwa 1012 Atome) gefülltes Glasröhrchen geschickt wird. Die magnetischen Momente der Gasatome werden in einem homogenen Magnetfeld ausgerichtet. Auch das Licht hat eine Vorzugsrichtung: Es ist polarisiert, d.h. das elektrische Feld schwingt nur in einer Richtung.

Unter diesen Bedingungen treten Licht und Atome miteinander in Wechselwirkung, so dass der nach dem Gang durch das Gas austretende Lichtpuls, der an Alice geschickt wird, mit dem Ensemble von 1012 Cäsiumatomen, das sich bei Bobs Aufenthaltsort befindet, "verschränkt" ist.
Übertragung auf Ionen durch Magentfeld
Alice mischt den ankommenden Puls mit Hilfe eines Strahlteilers mit dem Objekt, das sie teleportieren will - einem schwachen, nur wenige Photonen enthaltenden Lichtpuls. Die resultierenden Lichtpulse an den beiden Ausgängen des Strahlteilers werden mit Photodetektoren gemessen, und die Messergebnisse werden an Bob gesandt.

Aufgrund der Messergebnisse weiß Bob, was zu tun ist, um die Teleportation abzuschließen und die ausgewählten Quantenzustände des Lichtpulses, Amplitude und Phase, auf das atomare Ensemble zu übertragen.

Dazu legt er ein niederfrequentes Magnetfeld an, das den kollektiven Spin (Eigendrehimpuls) des Systems zum Schwingen bringt. Dieser Vorgang lässt sich vergleichen mit der Präzession eines Kreisels um seine Hauptachse: Die Auslenkung des Kreisels korrespondiert mit der Amplitude des Lichtes, während der Nulldurchgang der Phase entspricht.
Besser als klassische Übertragung
Um nachzuweisen, dass die Teleportation erfolgreich war, wird nach 0,1 Millisekunden ein zweiter starker Puls polarisiertes Licht auf das atomare Ensemble geschickt, der dessen Zustand gewissermaßen "ausliest". Aus diesen Messwerten können die theoretischen Physiker die so genannte "Fidelity" berechnen, eine Gütezahl, die angibt, wie gut der Zustand des teleportierten Objektes mit dem Original übereinstimmt.

Eine Gütezahl von 1 entspricht einer perfekten Übertragung, während der Wert Null bedeutet, dass gar keine Übertragung statt gefunden hat. Im vorliegenden Experiment beträgt die Gütezahl 0,6 und liegt damit deutlich über dem Wert von 0,5, der bestenfalls auf klassischem Weg, z.B. durch Übermittlung der Messwerte per Telefon, ohne Beteiligung von verschränkten Teilchen, zu erreichen wäre.
Impuls für die Quantenkryptographie
Anders, als es der geläufigen Vorstellung von "Beamen" entspricht, ist hier nicht ein Teilchen von einem Platz verschwunden und an einem anderen Platz wieder aufgetaucht.

"Es geht bei der Quantenteleportation um Kommunikationsmethoden mit Anwendung in der Quantenkryptographie, der Verschlüsslung von Daten, und nicht um neuartige Verkehrswege", betont Klemens Hammerer.

"Die Bedeutung des Experimentes liegt darin, dass erstmals eine Teleportation zwischen Atomen, die stationäre Quantenspeicher darstellen, und Licht, das man für die Übertragung von Informationen über weite Strecken braucht, gelungen ist. Damit ist ein wichtiger Schritt getan, Quantenkryptographie, also absolut sichere Kommunikation über lange Distanzen, etwa zwischen München und Kopenhagen, zu ermöglichen."

[science.ORF.at/MPG, 5.10.06]
->   Niels Bohr Institute
->   Max-Planck-Institut für Quantenoptik
 
 
 
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01.01.2010