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AIDS-Prozess: Genanalyse entlastet Angeklagte  
  Seit 1999 sitzen fünf bulgarische Krankenschwestern und ein palästinensischer Arzt in Libyen hinter Gittern. Ihnen wird vorgeworfen, 400 Kinder absichtlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Das Berufungsgericht in Tripolis bestätigte am Dienstag das Todesurteil in erster Instanz aus dem Jahr 2004. Genetische Analysen hatten zuvor allerdings gezeigt: Die Angeklagten sind unschuldig, der Virus-Typ zirkulierte bereits in Libyen, als die sechs Personen noch gar nicht im Land waren.  
Das Krankenhaus in Bengasi, in dem die Kinder infiziert wurden, dürfte bereits zuvor Probleme mit der Übertragung von Infektionen gehabt haben. Das berichtet ein internationales Forscherteam um Tulio de Oliveira von der Oxford University.
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"HIV-1 and HCV sequences from Libyan outbreak" von Tulio de Oliveira et al. erschien auf der Website von "Nature" (6. November 2006, doi:10.1038/nature444836a).
->   Artikel
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Todesurteil zunächst aufgehoben
 
Bild: EPA

Die Angeklagten (Bild oben) waren 2004 von einem Gericht in Bengasi zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde Ende 2005 aufgehoben. Am 19. Dezember wurde das Todesurteil vom Berufungsgericht bestätigt. In Haft sind die Angeklagten bereits seit Anfang 1999.

Nach Ansicht von Beobachtern sollen die Bulgarinnen und der Palästinenser als Sündenböcke für Missstände im libyschen Gesundheitswesen herhalten.
Verschiedene Methoden, ein Ergebnis
Die Forscher um De Oliveira analysierten Mutationen, die sich im Laufe der Zeit im Erbgut der HI-Viren ansammeln. Damit lässt sich ein weit zurückreichender Stammbaum der Erreger und eine Zeitachse ihrer Entwicklung aufstellen.

Demzufolge zirkulierten die fraglichen Viren in Libyen ausnahmslos schon vor der Ankunft der Krankenschwestern. Dieses Ergebnis habe sich unabhängig davon gezeigt, welches statistische Verfahren zur Auswertung der Daten angewendet wurde, schreiben die Forscher in "Nature".
Vorwurf: Geständnisse unter Folter
Nach Darstellung des Wissenschaftsjournals handelt es sich bei der Studie um den ersten zuverlässigen molekularbiologischen Hinweis darauf, dass es sich bei dem Ausbruch in dem Hospital nicht um eine vorsätzliche Infektion handelt.

International anerkannte AIDS-Experten haben bereits mehrfach die Einschätzung vertreten, dass die HIV-Infektionen bereits vor Eintreffen der Krankenschwester und des Arztes in dem Krankenhaus in Bengasi auftraten.

Sie werfen der libyschen Justiz vor, sie habe die Gutachten unabhängiger Wissenschaftler nicht beachtet und habe sich auf unter Folter zu Stande gekommene Geständnisse gestützt.

[science.ORF.at/dpa, 7.12.06]
Links zum Thema:
->   HIV trial in Libya - Wikipedia
->   AIDS medics in Libya - Nature
->   'Tripoli Six' Libya HIV death penalty trial - Declan Butler
 
 
 
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01.01.2010