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Wissenschafts-Sponsoring: Neuer Trend in Forschung?  
  Zugeklebt mit Firmenlogos wie der Spitzensportler, so werden Universitätsprofessoren auch in naher Zukunft nicht aussehen. Aber der Trend zum Wissenschafts-Sponsoring zur Finanzierung von Lehrstühlen hat sich in den letzten Jahren verstärkt. In Österreich werden mehr als drei Dutzend Professuren extern finanziert.  
Nach einer Studie der deutschen Sponsoring-Agentur Pleon setzt fast die Hälfte der großen Unternehmen Wissenschafts-Sponsoring ein - Tendenz stark steigend.
Große Bereitschaft, kleine Summen
Laut der Studie hat sich die Bereitschaft zur Bildungs- und Wissenschaftsfinanzierung innerhalb eines Jahres verdoppelt. Ein auf den ersten Blick sehr imposanter Zuwachs. Die Summen dahinter sind allerdings sehr klein.

So investieren die Firmen nach der Pleon-Studie nur etwa ein Zehntel des Sponsoring-Budgets in den Wissenschaftsbereich. Damit sind nicht bezahlte Forschungsaufträge gemeint, sondern Zuwendungen, über die eine Universität relativ frei verfügen kann.
Große Lippenbekenntnisse - und Taten?
Dass die Lippenbekenntnisse zumindest in Österreich oft größer sind als die Taten, zeigen die Finanzierungszusagen rund um die so genannte "Elite-Uni", das ISTA -"Institute for Science and Technology Austria".

Bundeskanzler Schüssel stellte am Beginn der Diskussion 30 Millionen Euro von Seiten der Industriellen-Vereinigung (IV) in Aussicht. Jetzt will sich IV-Präsident Veit Sorger nicht mehr auf einen Betrag festlegen.

Es wurde zwar eine Stiftung eingerichtet, die Gelder für das ISTA sammeln soll, aber zur Summe heißt es nur: Sie soll substanziell sein.
Wenige Wissenschaftsmäzen in Österreich
Österreichs größter Wissenschaftsmäzen im engeren Sinn - und momentan einer der wenigen überhaupt - ist Hannes Androsch. Er hat eine Stiftung zu Gunsten der Akademie der Wissenschaften eingerichtet, die bis zum Jahr 2012 mit zehn Millionen Euro dotiert sein wird.

Diese Stiftung soll Forschungen zum Thema "Arbeit und Festigung des sozialen Ausgleichs und Friedens" fördern. Seine Begründung: Wissenschaft und Bildung seien in Österreich notorisch unterfinanziert. "Aber genau die Ausbildung ist es, die uns auch in Zukunft einen hohen Lebensstandard und hohe Löhne sichern kann", so Androsch.
Andere Spendenkultur in den USA
Geht man etwa über das Gelände des Weizmann-Institutes in Israel oder durch amerikanische Universitäten, zeigt sich eine ganz andere Spendenkultur. Dort findet man immer wieder Bronzetafeln mit den Namen von Spendern, die ein ganzes Gebäude finanziert oder die Geräte eines Institutes gekauft haben - ohne deswegen in die Forschung einzugreifen.

Für Friedrich Faulhammer, Sektionschef im Bildungsministerium, hat die Spendenunwilligkeit hierzulande auch mit der mitteleuropäischen Tradition zu tun, wonach die öffentliche Hand die Bildung finanziert.
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Wissenschafts-Sponsoring in den USA
In den USA hat das Wissenschafts-Sponsoring eine lange Tradition. Vor allem durch Alumni-Programme, in denen die Universitäten ihre Absolventen zu binden versuchen, laufen viele Gelder - quasi als Dankbarkeit für die gute Ausbildung - an die Unis zurück. Aber wie so oft ist ein Vergleich USA mit Europa ein Vergleich Äpfel mit Birnen, auch wenn hierzulande die meisten Hochschulen bereits Alumni-Klubs eingerichtet haben.

Harvard bekam im Jahr 2005 zum Beispiel 500 Millionen Dollar geschenkt - ohne große Auflagen. Einzig Oracle-Gründer Ellison zahlte 115 Millionen nicht aus, weil ihm das Benehmen des umstrittenen Harvard-Präsidenten Summers nicht gefiel. Summen, die für Europa derzeit so gut wie undenkbar sind. Darüber sollen auch die 200 Millionen Euro nicht hinwegtäuschen, die die Schweizer Jacobs-Stiftung ab 2007 in die Uni Bremen steckt. Die heißt dann natürlich "Jacobs-Universität".
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Hürden der Finanzierung
Während Forschungs-Aufträge von Unternehmen an Firmen steuerlich begünstigt sind, ist die Einrichtung einer Stiftung zum Wohle der Wissenschaft steuerlich nicht einfach absetzbar.

Zu den bürokratischen Hürden kommen noch unterschiedliche Zeithorizonte in Wirtschaft und Wissenschaft: Wo der Industrielle Hannes Androsch eher ungeduldig Projekte forcieren möchte, mahlen die Mühlen der Wissenschaft manchmal sehr langsam. Bis jetzt wurde von der Akademie der Wissenschaften trotz Dotierung seit 2004 noch kein einziges Stipendium ausgeschüttet - spätestens Anfang 2007 soll es soweit sein, hofft Androsch.
Wirtschafts-Boss gründet Forschungsinstitut
Auf Universitäts-Gelände gewagt hat sich auch Magna-Chef Frank Stronach. Er hat in Graz das "Frank Stronach Institut" gegründet - eine Einrichtung, die zur Technischen Universität Graz gehört und drei Lehrstühle für Fahrzeugtechnik, Fahrzeugsicherheit, Werkzeugbau sowie einen Lehrfang für "Production Science and Management" beinhaltet.

Nur der Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik wird von der Universität bezahlt. Magna trägt die laufenden Kosten und steckt zehn Jahre lang jährlich zwei Millionen Euro in das Frank-Stronach-Institut. Die Einrichtung schlug mit vier Millionen Euro zu Buche. Das Gebäude mit seinen fast 4.000 Quadratmetern hat die Bundesimmobiliengesellschaft errichtet und wird jetzt von Magna geleast.

Eines der Ziele des "24 Millionen-Euro"-Engagements von MAGNA: ein Defizit in der Ausbildung zu stopfen. Graz bildete zwar Motorenspezialisten aus, aber es fehlten Automobiltechniker. Jürgen Stockmar, der Geschäftsführer von Magna Education and Research hofft darüber hinaus, mit Hilfe des Frank Stronach Instituts viel schneller zu Innovationen im Automobilbereich zu kommen.
Stiftungsprofessuren
Was von MAGNA in Graz in großem Stil angelegt wurde, existiert an vielen Universitäten im Kleinen: so genannte Stiftungsprofessuren. In Österreich werden rund drei Dutzend Lehrstühle fremdfinanziert.

So gibt es etwa einen Lehrstuhl für "Europäische Sicherheitspolitik" in Innsbruck, den das Bundesministerium für Landesverteidigung bezahlt. In Salzburg finanzieren die "Austrian Research Centers" eine Professur für Angewandte Geoinformatik, in Wien zahlt eine Immobilien-Privatstiftung für eine Stiftungsprofessur "Projektentwicklung und Projektmanagement", um nur einige zu nennen. Der Kärntner Wirtschaftsförderungsfond sponsert gleich acht Lehrstühle an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

Ab 600.000 Euro pro Jahr könne man einen ganz neuen Lehrstuhl finanzieren, meint Vizerektor Martin Gerzabek von der Universität für Bodenkultur. Kann man die Professur an bestehende Labors anbinden, geht es auch billiger.
"Freiheit der Wissenschaft" gefährdet?
Vor allem die Grundlagenforschung, wie sie vorwiegend Universitäten leisten, beansprucht gern "Die Freiheit der Wissenschaft" für sich. Ist diese Freiheit auch noch gewährleistet, wenn nicht die Allgemeinheit für die Forschung bezahlt, sondern Private oder gar Interessensvertretungen?
Wenn man die Verträge entsprechend gestalte, sei das kein Problem, meint Gerzabek.

Durch den Rückzug des Staates aus der Bildungsfinanzierung würden private Gelder immer mehr zur Notwendigkeit für das Bildungssystem werden, meint Sektionschef Friedrich Faulhammer.
Eine möglicherweise nicht besonders positive Entwicklung, die zu tieferen sozialen Gräben führen könnte - wenn Bildung dadurch auch immer teurer wird.

Franz Zeller, Ö1 Wissenschaft, 12.12.06
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Diesem Thema widmet sich auch die Sendung "Dimensionen" am Dienstag, 12. Dezember, um 19:05 Uhr auf Radio Österreich 1.
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01.01.2010