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"Stille Nacht" entstand genau vor 190 Jahren  
  Der Hilfspriester Joseph Mohr schrieb den Text zum Weihnachtslied "Stille Nacht! Heilige Nacht!" in Mariapfarr im Lungau im Jahr 1816 - also vor genau 190 Jahren. Der Liedtext spiegelt die Zeit seiner Entstehung wieder.  
1816 gingen für Salzburg die politisch unsicheren Jahre der Napoleonischen Kriege zu Ende. Dieses Jahr war aber auch das "Jahr ohne Sommer".

Es brachte aufgrund des ein Jahr zurückliegenden Ausbruchs des indonesischen Vulkans Tambora Wetterkapriolen, schlechte Ernten und damit Hunger und Not für die Menschen.
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Ein Artikel dazu erschien in "Blätter der Stille Nacht Gesellschaft" (44, Dezember 2006) unter dem Titel "Stille-Nacht-Text entstand im 'Jahr ohne Sommer'".
->   Stille Nacht Gesellschaft
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Wirren der Napoleonischen Kriege
Das Territorium Salzburgs wechselte während der Napoleonischen Kriege mehrmals den Besitzer. Der Münchner Vertrag brachte dann zwar einerseits Frieden, andererseits teilte er aber Land. Der nordwestlich der Stadt Salzburg gelegene Rupertiwinkel kam zu Bayern.

Joseph Mohrs Dienstort Mariapfarr hatte vor 1816 arg unter der Besatzung bayerischer Truppen zu leiden gehabt. Wertvolle Kunstschätze wie die "Grillinger" waren beispielsweise nach München verschleppt worden.
Sehnsucht nach Frieden
Aus diesen Zeitumständen heraus bekommt der Text der vierten Liedstrophe besondere Bedeutung. Er drückt große Friedenssehnsucht aus und lautet:

"Stille Nacht! Heil'ge Nacht!
Wo sich heut alle Macht
väterlicher Liebe ergoss,
und als Bruder huldvoll umschloss
Jesus die Völker der Welt!
Jesus die Völker der Welt!".
->   Gesamter Liedtext (sechs Strophen) von "Stille Nacht!"
Wetterkapriolen und Missernten 1816/17
Trotz der Entspannung der politischen Situation verbesserte sich die Lage der Menschen um 1816 nicht nachhaltig, denn Missernten brachten Hunger ins Land. Die Menschen mussten sich "aus gänzlichem Mangel an Brot von gehackten Wurzeln, Brennnesseln und Kleien ernähren", zitiert Heinz Dopsch in der "Kleinen Geschichte Salzburgs" (2001, S.154) die Quellen.

Das Wetter spielte verrückt - nicht nur in Salzburg. In Ungarn schneite es im Frühjahr braunen und fleischfarbenen Schnee. In Süddeutschland setzte im März sintflutartiger Regen die Felder unter Wasser. Am 31. Juli schneite es auf der Schwäbischen Alb. 1816 sollte als das "Jahr ohne Sommer" in die Geschichte eingehen.
Hungermedaillen: Ein frühes "Licht ins Dunkel"
 
Bild: Stille Nacht Gesellschaft / Wolfgang Vetters

In Wien prägte man Hungermedaillen, durch deren Kauf die Not leidende Bevölkerung unterstützt wurde. Ein Teil des Kaufpreises ging als Spende an Hunger leidende Mitbürger.

Mit den abgebildeten Medaillen von 1816 und 1817 konnten eine "Maas" Bier erworben werden.
Vulkanausbruch als Auslöser
Der Auslöser für die Wetterkapriolen lag örtlich zirka 13.000 Kilometer entfernt und zeitlich ein Jahr zurück. Im April 1815 war auf der indonesischen Insel Sumbawa der Vulkan Tambora ausgebrochen.

Wie Vulkanologen heute bestätigen, war dies der stärkste Vulkanausbruch seit es Menschen gibt.
Asche in der Atmosphäre kühlte Erde ab
 
Bild: NASA, Space Shuttle Program

Hatte der Tambora (siehe Bild) vor dem Ausbruch eine Höhe von 3.900 Metern, so war er danach um annähernd 1.100 Meter niedriger.

100 bis 150 Kubikkilometer Gestein blies die Eruption in die Atmosphäre. Vor Ort kamen mehr als 100.000 Menschen unmittelbar durch den Ausbruch und dessen Folgen (Flutwellen, Hunger, Seuchen) ums Leben.

In der Erdatmosphäre bildete sich ein "Asche-Schleier", der die Durchschnittstemperaturen weltweit um ein bis zwei Grad sinken ließ. Die Auswirkungen des Vulkanausbruches trafen Amerika, China, Indien und Europa und führten dort zu Missernten und Hunger.
Unwissen über die Ursachen
In Europa war 1816 nicht bekannt, dass der kalte Sommer und damit die schlechten Ernten mit dem Ausbruch eines weit entfernten Vulkans zusammen hingen. Die Situation wurde als von "Gott gegeben" hingenommen.

In dieser Zeit verfasste Joseph Mohr die sechs Strophen des Gedichtes "Stille Nacht! Heilige Nacht!". Zwei Jahre später bat er dann den Arnsdorfer Lehrer Franz Xaver Gruber um deren Vertonung. Das Lied wurde in der Oberndorfer St. Nikolaus Kirche schließlich im Jahr 1818 uraufgeführt.

Das Lied begann damit seinen Siegeszug um die Welt. Heute kennen wir Übersetzungen von "Stille Nacht!" in mehr als 300 verschiedene Sprachen und Dialekte.

Manfred W. K. Fischer, freier Journalist, 24.12.06
->   Vulkan Tambora (Global Vulcanism Program)
->   "Jahr ohne Sommer"
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->   Asteroid für "Stille Nacht"-Schöpfer
 
 
 
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01.01.2010