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Über die Macht von Stereotypen  
  Frauen sind für Naturwissenschaften weniger begabt als Männer - heißt es oft. Kanadische Psychologen haben nun untersucht, inwiefern Frauen dieses Vorurteil verinnerlicht haben und sich in der Folge selber im Weg stehen, ähnliche Leistungen zu erbringen wie Männer.  
An den Universitäten und in den Labors findet man deutlich weniger Frauen als Männer in Fächern wie etwa Astrophysik oder Mathematik. Die Zahlen scheinen das gängige Vorurteil, Frauen wären für diese Fächer weniger geeignet, zu untermauern. Doch wie wirken sich dieser Art Stereotype auf das Opfer aus?
Macht von Stereotypen
Das Phänomen "stereotype threat", also "Bedrohung durch Stereotype", ist Psychologen wohl vertraut: Die wahre Macht von Stereotypen besteht darin, dass deren Opfer sie für wahr halten.

Studien haben das Phänomen bereits nachweisen können. Steven Heine, Psychologieprofessor an der Universität von British Columbia, berichtet gegenüber Radio Ö1 von einer kürzlich erschienen Studie über schwarze Amerikaner.

Das Experiment: "Man lässt Schwarze einen wirklich schwierigen Test lösen, der ihnen große Mühe macht. Wenn man sie dabei an ihre Rassenzugehörigkeit erinnert, schneiden sie schlechter ab, als wenn von Rasse nicht die Rede ist", so Heine.
Frauen und Mathematik
Der kanadische Psychologe und sein Team untersuchten daraufhin, ob dieses Phänomen auch auf Frauen und deren angebliche Schwäche in Mathematik zutrifft.

In seinem Experiment teilte er 220 Studentinnen in zwei Gruppen auf. Zu Beginn und am Ende des durchgeführten Tests stand jeweils eine sehr schwierige mathematische Aufgabe. Dazwischen war ein angeblich wissenschaftlicher Artikel eingeschoben:

"Bei der einen Gruppe hieß es, Männer sind aus genetischen Gründen besser als Frauen. Bei der anderen stand zu lesen, dass Männer besser sind, weil sie anders erzogen werden. Auf diesen Essay folgte dann die zweite mathematische Aufgabe", so Heine.
Klare Beeinflussung
Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Die Gruppe mit dem Text über eine genetisch bedingte Unfähigkeit schnitt um 50 Prozent schlechter ab.

"Sie dachten an das Stereotyp, das nun mit einem Mal glaubwürdig erschien. Etwa: 'Von meinen Genen her bin ich ja schlechter in Mathematik. Das erklärt, warum ich mich so plagen muss'", berichtet Heine.

Das Experiment bestätige nicht nur die Macht von Stereotypen. Es beweise zudem, dass Ergebnisse aus der Genforschung mit geradezu erschreckendem Fatalismus angenommen werden.

Madeleine Amberger, Ö1 Wissenschaft, 29.12.06
->   Website von Steven Heine
->   Frauen & Wissenschaft: Harvard-Präsident kritisiert (22.2.05)
Mehr zum Thema Stereotype in science.ORF.at:
->   Neuro-Beweise für "weibliche Geschwätzigkeit"? (22.12.06)
->   Gender und Genre: Geschlechter-Stereotype im Film (20.12.04)
->   Stereotype beeinflussen Wahrnehmung von Studien (7.9.04)
 
 
 
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01.01.2010