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Programmierfehler als Karrierekiller  
  Vor wenigen Monaten wurde der US-amerikanische Proteinforscher Geoffrey Chang noch als Shootingstar seiner Branche gefeiert. Nun befindet er sich mitten in einem wissenschaftlichen Albtraum: Chang musste seine wichtigsten Publikationen aus den letzten fünf Jahren zurückziehen, weil sie offenbar schwerwiegende Fehler enthalten. Der Grund: ein fehlerhaftes Computerprogramm.  
Karriere nach Maß
Bild: Scripps Research Institute
Geoffrey A. Chang
Bis vor kurzem konnte man den akademischen Werdegang von Geoffrey A. Chang wohl nur mit einem Wort beschreiben: Bilderbuchkarriere. 1999 trat der damals 28-jährige Proteinforscher am renommierten Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien, eine Stelle an. Bereits ein Jahr danach wurde er im Weißen Haus mit dem "Presidential Early Career Award for Scientists and Engineers" ausgezeichnet - die wichtigste Anerkennung für US-amerikanische Jungforscher.

In den Jahren danach ging es in derselben Tonart weiter: 2001 publizierte Chang mit seiner Arbeitsgruppe eine Studie über so genannte Transporter-Proteine in der Zeitschrift "Science" (293, 1793). Darin klärte er mit Hilfe kristallografischer Methoden erstmals die räumliche Struktur eines bestimmten Eiweißstoffes auf, mit dem das Bakterium E. coli Moleküle aus der Zelle pumpt.

Da ist deswegen bedeutsam, weil diese so genannten ABC-Transporter etwa an Resistenzen gegenüber Antibiotika oder Chemotherapien beteiligt sind.
->   ABC-Transporter - Wikipedia
Widersprüche treten auf
Die Studie - eine Schlüsselarbeit auf dem Gebiet der Protein-Kristallografie - wurde bislang mehrere hundert Mal von anderen Forschergruppen zitiert. Im Sog dieses Erfolges erschienen in den darauf folgenden Jahren noch weitere Papers von Chang und Kollegen, in denen sie das Thema mit anderen Bakterienarten und Proteintypen variierten.

So weit, so gut: Am 14. September dieses Jahres traten jedoch gewisse Unstimmigkeiten auf. Damals publizierte ein Team um Kaspar Locher von der ETH-Zürich ebenfalls eine Arbeit zu ABC-Transportern, eigenartig daran war nur, dass die darin zutage geförderte Proteinstruktur gar so wenig mit den Analysen von Chang und Co. gemein hatte.

Nachdem die untersuchten Proteine ganz ähnliche Funktionen ausüben, wäre nämlich zu erwarten gewesen, dass sie einander auch in ihrem räumlichen Aufbau gleichen (Nature 443, 180). Doch das war nicht der Fall.
Fehlerkatastrophe ...
Wie sich nun herausstellt, haben Chang und sein Team bei ihren Forschungen offenbar ein fehlerhaftes Programm zur Datenanalyse verwendet, das Teile der kristallografischen Rohdaten in der falschen Reihenfolge importierte. Der Fehler pflanzte sich fort und führte zu einem völlig falschen Bild der molekularen Architektur.

Wie in der aktuellen Ausgabe von "Science" (314, 1856) nachzulesen ist, traten die US-Forscher nun den akademischen Canossagang an und zogen fünf Publikationen zu diesem Thema zurück - drei davon waren in "Science" erschienen, eine in den "PNAS", eine weitere im "Journal of Molecular Biology".

Fazit: Die Ergebnisse von fünf Jahren harter Arbeit liegen nun förmlich in Trümmern. "Ich war am Boden zerstört", kommentiert Chang seinen Schritt: "Ich hoffe, die Leute verstehen, dass das ein Fehler war. Es tut mir sehr leid."
... durch Publikationsdruck
Kaspar Locher - übrigens ein ehemaliger Postdoc-Kollege von Chang am Caltech in Pasadena - reiht den Fehler jedenfalls in die "Kategorie der monumentalen Schnitzer" ein. Und meint, dass dieser bei genauerem Hinsehen durchaus zu verhindern gewesen wäre: "Ich glaube, er stand unter immensem Druck, weil er die ersten Strukturen veröffentlichen wollte."

Allzu große Hast ist eben selbst im temporeichen Wissenschaftsbetrieb nicht von Vorteil. Das sieht nun auch Geoffrey Chang so. Er hat die Originaldaten inzwischen neu analysiert und möchte in Kürze korrigierte Arbeiten zur Publikation einreichen. Die neu errechneten Proteinstrukturen seien biologisch betrachtet "total sinnvoll", meint er gegenüber "Science": "Nun sind viele Dinge klar, die vorher unverständlich waren."

Robert Czepel, science.ORF.at, 3.1.07
->   Geoffrey A. Chang - Scripps Research Institute
->   Kaspar Locher - ETH Zürich
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Ausschuss mahnte "Science" zu mehr Sorgfalt (29.11.06)
->   Fälschungsverdacht bei "Science"-Studie (10.11.06)
 
 
 
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01.01.2010