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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Österreichs Gletscher verschwinden  
  Die globale Klimaerwärmung hat auch dazu geführt, dass die österreichischen Gletscher seit Jahrzehnten schmelzen. Der aktuelle, viel zu warme Winter trägt laut dem Gletscherforscher Heinz Slupetzky dazu gar nicht so viel bei. Wichtiger sind die heißen Sommer und langen Wärmperioden bis spät in den Herbst. Sie haben dazu geführt, dass etwa der Salzburger Sonnblick-Kees in 40 Jahren völlig verschwunden sein wird.  
Seit knapp 50 Jahren "Mr. Gletscher"
Er gilt als Österreichs "Mr. Gletscher": Seit 1960 vermisst Heinz Slupetzky die österreichischen Gletscher, allen voran das Stubacher Sonnblick-Kees im Salzburger Weißseegebiet. Lange Jahre war er Leiter der Abteilung für Gletscherforschung an der Universität Salzburg.

Dass man den - auch sehr öffentlichkeitswirksamen - Forschungsschwerpunkt 2004 nach seiner Pensionierung eingestellt hat, versteht er bis heute nicht.

Aber auch heute noch untersucht der mittlerweile 67-Jährige das ewige Eis auf Salzburgs Bergen, nunmehr für den Hydrographischen Dienst des Landes Salzburg. Seit 2003 führt er für science.ORF.at ein "Gletschertagebuch".
->   Gletschertagebuch 2003-2006 Heinz Slupetzky
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Vom 21. bis 27. Jänner 2007 findet im ORF der Themenschwerpunkt Klimawandel statt. TV, Radio und Internet bieten dabei umfangreiche Informationen und Service zum Thema.
->   Themenschwerpunkt Klimawandel
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2006 wie der Olympiawinter 1964
Für eine Prognose, wie der derzeit viel zu warme Winter den Gletschern zusetzen wird, ist es jetzt noch viel zu früh, meint Slupetzky. Prinzipiell gelte: Die Winter sind für ihr Schicksal weit weniger wichtig als die Sommer.

Während seiner fast 50-jährigen Forschungszeit habe es nur ein einziges Jahr gegeben, das mit dem heurigen zu vergleichen sei: 1964 lag Anfang Jänner genau wie heuer in 2.500 Meter Höhe nur etwas über ein Meter Schnee am Gletscher.

Im Jahr der Olympischen Spiele in Innsbruck wurden so wie in diesen Tagen die Skistätten mit Schnee von den hohen Bergen versorgt. Eine Schneedicke von nur eineinhalb Meter Anfang Jänner komme rund alle zehn Jahre vor.
Ein Drittel bereits geschmolzen
Bild: Heinz Slupetzky
Seit Anfang der 1990er Jahre bildet sich am
Sonnblick-Kees ein Eisrandsee (August 2006)
Zu Beginn von Slupetzkys Forschungen wuchsen die Gletscher: Vor allem die kühlen Sommer bewirkten zwischen 1965 und 1981 einen Massenzuwachs. Seit 1982 aber ist das Gegenteil der Fall: 26 Millionen Kubikmeter hat das Sonnblick-Kees heute weniger als vor 25 Jahren, bei einem Gesamtvolumen von nach neuesten Berechnungen 70 Mio. Kubikmeter ist das ein Drittel.

Ein Trend, der sich fortsetzen wird: "Wenn die Gletscher einmal dünn sind, kommt es noch rascher zu einem Flächen- und Längenverlust", so Slupetzky gegenüber science.ORF.at.

Bleiben die Verhältnisse wie in den vergangenen Jahren - was sehr wahrscheinlich ist - so habe das Sonnblick-Kees nur mehr eine Lebensdauer von 40 Jahren.
Gedankenspiel: Ideales Klima für unsere Gletscher
Und wenn sich doch plötzlich etwas ändern sollte, die Sommer kühler würden? Das wäre für den Tourismus vielleicht ein Graus, für die Gletscher aber ideal.

Slupetzky wagt aus den Tiefen seiner Unterlagen ein Gedankenspiel: "Ein Winter mit sechs Meter Schnee Ende Mai wie zuletzt 1965 kombiniert mit einem kühlen Sommer samt Neuschneefällen im Gebirge - dann wäre ein Zuwachs von zwei bis drei Metern Dicke möglich."

Für eine echte Trendwende bedürfe es aber mindestens zehn kühler Sommer hintereinander, insgesamt müsste das Klima im Jahresmittel um ein bis zwei Grad und vor allem im Sommer um zwei Grad kühler sein als derzeit. Damit das Stubacher Sonnblick-Kees wieder jenen Zustand von 1850 erreicht - mit einem geschätzten Volumen von 350 Mio. Kubikmetern - brauche es überhaupt gleich 200 solcher Jahre.
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Worst case scenario
Im Gegensatz zu diesen "Idealbedingungen für Gletscher" hat Slupetzky auch ein worst case scenario entwickelt: sehr wenig Schnee im Winter - nur zwei Meter bis Ende Mai am Gletscher - und ein heißer Sommer wie 2003. Kommt dann noch Wärme dazu bis in den Oktober hinein wie im Vorjahr, wäre ein Rekordverlust von vier bis fünf Metern Dicke möglich (2003 waren es drei Meter).
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Die Gletscher kommen wieder - so oder so
Slupetzky geht davon aus, dass man selbst mit den schärfsten, sofort durchgeführten Maßnahmen zur Bekämpfung des Treibhauseffekts die globale Erwärmung nicht verhindern, sondern in der weiteren Zukunft nur vermindern kann: Dennoch ist er sich sicher, dass die Gletscher nach ihrem Verschwinden eines Tages ihr Comeback feiern. Denn: "Die nächste Eiszeit kommt bestimmt."

Ob diese ausfällt wie die bisher bekannten, ist aber freilich unklar - und hängt nicht zuletzt vom Verhalten des Menschen und der künftigen Klimapolitik ab.
Rosige Zukunft der Forscherzunft
Bild: Werner Slupetzky
Stubacher Sonnblickkees am 5.7.06
Dass Slupetzky sein Untersuchungsgegenstand buchstäblich unter den Fingern weg schmilzt, ist für ihn kein Grund für Trauer, sondern Bestandteil des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns.

Und der findet in der aktuellen Sitation eine erstaunliche Pointe: "Einmal wird man bei der Wiederkehr der Gletscher die gleiche Größe des Gletschers erleben wie jetzt und kann dann auf die vorhandenen Daten zurückgreifen. Wenn das Sonnblick Kees weg ist, kann man genau die Topographie vermessen, die früher unter dem Gletscher verborgen und am jetzigen Gletscher nur sehr ungenau zu bestimmen war. Damit kann man die genauen Volumina der früheren Gletscherstände - durch die bisherigen kartographischen Aufnahmen und Karten - berechnen. Meine früher gewonnenen Daten werden dann in Wert gesetzt", blickt Slupetzky in die Zukunft.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 22.1.07
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01.01.2010