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Studie: Klimaforschung boomt immer mehr  
  Die Erforschung des Klimawandels erlebt derzeit eine Hochkonjunktur. Niemals zuvor wurden die Ursachen und Auswirkungen der Klimaveränderungen intensiver von der Wissenschaft analysiert, dokumentiert und interpretiert.  
Dies bestätigt eine aktuelle Datenanalyse der Essential Science Indicators (ESI), einer Tochterfirma des Unternehmens Thomson Scientific, einer der wichtigsten Datenbanken für szientometrische Analysen: Im vergangenen Jahrzehnt ist die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von 1.400 auf 2.100 pro Jahr gestiegen.
Zehnjahres-Untersuchung von 1.000 Journalen
Die Experten durchsuchten im Zeitraum von Jänner 1996 bis April 2006 die ISI-Datenbank zum Stichwort "globale Erwärmung" und filterten dabei wissenschaftliche Veröffentlichungen (3.621), Fachjournale (1.038), Autoren (8.503), Länder (100) und Institutionen (2.383) heraus.

"Die gewonnen Daten zeigen klar, dass mit den Jahren die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen und der Zitierungen des Stichwortes 'globale Erwärmung' stetig ansteigt", erläutert der US-Wissenschaftshistoriker Henry Small, Mitarbeiter von ESI, gegenüber science.ORF.at.
Von 4.000 Zitierungen auf 10.000
Aus den Daten wurden anschließend - basierend auf der Häufigkeit ihrer Zitierungen - die jeweiligen Top 20 aus den verschiedenen Bereichen aufgeschlüsselt und bieten nun einen Überblick über die relevantesten wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Fachjournale, Autoren, Länder und Institutionen zu diesem Thema.

Die Daten zeigen: "Waren es im Jahr 1996 noch knapp 1.400 wissenschaftliche Publikationen, stieg die Zahl bis Ende 2005 auf 2.100 an", führt Small aus.

Noch deutlicher spiegelt die Entwicklung die Zahl der Zitierungen wider: Sie stieg von 4.000 im Jahr 1996 auf knapp über 10.000 bis Ende 2005 an.
->   ESI-Studie
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Szientometrie
Die Szientometrie untersucht quantitativ wissenschaftliches Forschen, z.B. die Anzahl der Publikationen von Autoren und Institutionen sowie deren Resonanz.
->   Mehr dazu bei Wikipedia
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300-Jahres-Vergleich bestätigt Trend
Diesen Trend bestätigten auch die Ergebnisse einer weiteren szientometrischen Untersuchung von Gerald Stanhill vom Institute of Soil, Water and Environmental Sciences der Agricultural Research Organisation in Israel aus dem Jahr 2001 (Climatic Change, Bd. 48, S. 515).

Der Wissenschaftler hat anhand der Journal-Datenbank der American Meteorological Society die Publikations-Daten der letzten 300 Jahre erhoben und den Anstieg an wissenschaftlichen Artikeln, die sich mit den Ursachen und Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen, szientometrisch dokumentiert.

"Besonders die dritte Phase zwischen 1951 und 1997 beinhaltet 95 Prozent aller Publikationen der letzten 300 Jahre", so Stanhill. "Und die Tendenz ist eine noch steilere exponenzielle Wachstumsrate, die sich alle elf Jahre verdoppelt."

Stanhill: The Growth of Climate Change Science: A Scientometric Study
Erderwärmung: Konsens in der Wissenschaft
Den Trend erklärt die Umweltsoziologin Marina Fischer-Kowalski vom Wiener Institut für Soziale Ökologie: "Die Daten spiegeln den allgemeinen Konsens in der Wissenschaft wider, dass der Klimawandel und seine Folgen ein hochrelevantes Thema ist", so die Expertin, die auch dem wissenschaftlichen Beirat des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung vorsitzt.

"Es bestätigt auch die Tatsache, dass sich die Wissenschaft in den letzten zehn Jahren immer mehr hinter die Meinung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gestellt hat, demnach zweifelsohne ein Klimawandel stattfindet."
Von Menschen verursacht
Die Studien dokumentieren eine weitere Entwicklung: "Wenn man sich nur die Top 20 der am meisten zitierten wissenschaftlichen Publikationen ansieht, unterstützen alle bis auf eine die Ansicht, dass die derzeit stattfindende globale Erwärmung maßgeblich vom Menschen verursacht ist", so Small.

Fischer Kowalski ergänzt: "Es hat zwar 20 Jahre gedauert, bis man zu diesem Konsens gekommen ist - schließlich hatten die Gegner dieser Meinung eine starke Lobby hinter sich, die diese Ansicht mit allen Mitteln zu untergraben versuchte. Aber heute steht die Bedeutung der menschlichen Aktivitäten als Ursache für den Klimawandel innerhalb der scientific community außer Streit."
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Vom 21. bis 27. Jänner 2007 findet im ORF der Themenschwerpunkt Klimawandel statt. TV, Radio und Internet bieten dabei umfangreiche Informationen und Service zum Thema.
->   Themenschwerpunkt Klimawandel
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Auch mehr Forschung zu Paläo-Klima
Das wissenschaftliche Interesse an den natürlichen Ursachen für den Klimawandel ist dennoch hoch, wie die amerikanische Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes, Autorin des viel zitierten Essays "The Scientific Consensus on Climate Change" (Science 306, S. 1.686), meint: "In den letzten zehn Jahren hat es durchaus einen Boom in der Paläo-Klimaforschung gegeben, allerdings mit dem exakten Grund, die natürlichen Schwankungen des Klimas besser zu verstehen und diese in den Kontext der Rolle der menschlichen Aktivitäten setzen zu können", so Oreskes.

"Denn die Wissenschaftler sind sich einig, dass der aktuell beobachtete Trend der globalen Erwärmung nicht nur mit natürlichen Faktoren zu erklären ist."
->   Oreskes: The Scientific Consensus on Climate Change
Öffentliche Meinung noch gespalten
Ganz im Gegenteil zur öffentlichen Meinung, die nach wie vor unsicher ist über die Ursachen des Klimawandels. "Der Grund dafür liegt wohl in der Tatsache, dass wir noch die wissenschaftliche Kontroverse der letzten zwei Jahrzehnte im Kopf haben", vermutet die Umweltsoziologin Fischer-Kowalski. "Die Nachwehen dieser Diskussionen sind eben noch in der Gesellschaft und den Medien zu spüren."
Weiterer Boom der Klimaforschung zu erwarten
Extreme Umweltereignisse wie Überschwemmungen, schneelose Wintersaisonen und lang anhaltende Dürreperioden, die durch Klimaforscher in den letzten Jahren immer wieder als mögliche Szenarien formuliert worden sind, werden aber die Bevölkerung künftig noch mehr für das Thema sensibilisieren, ist sich Fischer-Kowalski sicher.

"Diese Ereignisse berühren eine Reihe von Interessen, wie beispielsweise die Tourismusbranche oder Infrastrukturplaner, die sich an die veränderten Bedingungen anpassen müssen", resümiert die Umweltsoziologin.

"Dementsprechend werden jene Wissenschaftsdisziplinen, die sich mit der Adaption an die Auswirkungen des Klimawandels auseinandersetzen, einmal mehr boomen."

Eva-Maria Gruber, science.ORF.at, 25.1.07
->   Thomson Scientific
->   IPCC
->   Marina Fischer-Kowalski
->   Gerald Stanhill
->   Naomi Oreskes
->   Themenschwerpunkt Klimawandel in science.ORF.at
->   Themenschwerpunkt Klimawandel in Ö1
 
 
 
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01.01.2010