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Studie: Ethik-Kommissionen und ihre Expertise  
  Wie Ethikexpertise produziert und politisch verwendet wird, haben nun Wissenschaftler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Frankfurt untersucht.  
Wissenschaftstheoretikern zufolge erleben Ethikkommissionen seit einigen Jahren eine Blütezeit. Immer mehr Expertengremien sollen Empfehlungen für Politik und Forschungsinstitutionen formulieren, was den Umgang mit heiklen wissenschaftspolitischen Fragen betrifft, so etwa im Zusammenhang mit Gentechnik oder Pränataldiagnostik. Die Gremien sind dabei meistens mit Wissenschaftlern, Juristen und Theologen besetzt.

Die Studie über Ethikkommissionen in Österreich und Deutschland wurde von den Soziologen Aleksander Bogner vom Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) der ÖAW und Wolfgang Menz vom Institut für Sozialforschung der Universität Frankfurt erstellt. Sie soll im Frühjahr publiziert werden.
"Mix aus Verhandeln und Argumentieren"
Die Studienergebnisse lassen sich in zwei Punkten zusammenfassen. Erstens bildet die Entscheidungsfindung in den Gremien das allgemeine gesellschaftliche Aushandeln zwischen Wissen, Meinung und politisch Machbarem ab.

"Die zahlreichen Interviews mit Ethikratsmitgliedern zeigen, das dass Diskussionsniveau auch von Laien relativ schnell erreicht werden könnte", sagt Mitautor Bogner vom ITA.
"Politik nimmt wenig inhaltlichen Bezug"
Zweitens zeigten weiterführende Analysen von Dokumenten, dass sich die Politik nur in sehr formaler Weise auf die ethische Expertise bezieht: "Politiker verweisen viel mehr auf das bloße Vorhandensein der Räte und kaum auf deren inhaltliche Stellungnahmen", so Bogner.

"Oft heißt es: 'Nun haben sie gesprochen, jetzt müssen wir entscheiden.' Die ethische Expertise wird nur sehr selten inhaltlich abgewogen oder gewürdigt."
"Dissens funktional für die Politik"
Konflikte seien in Ethikräten naturgemäß nicht auflösbar. Der Experten-Dissens, der produziert wird, könne für die Politik jedoch in mehrfacher Hinsicht funktional sein.

"Die Politik kann zeigen, dass sie nicht in einer anderen Rationalitätssphäre, sondern informiert und auf der Basis von Expertenempfehlungen entscheidet. Sie kann zeigen, dass sie notwendig ist und eine autonome Handlungssphäre darstellt."

So könne man Befürchtungen, denen zufolge die Politik immer mehr unter dem Einfluss einer demokratisch nicht legitimierten Expertenkaste gerate, entschärfen.

Tanja Malle, Ö1 Wissenschaft, 5.2.07
->   Institut für Technikfolgenabschätzung, ÖAW
->   Institut für Sozialforschung, Universität Frankfurt
->   Liste der Ethikkommissionen in Österreich
 
 
 
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01.01.2010