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Navigation: Kristalle für starke Männer  
  Bienen tun es, Ameisen tun es - und vielleicht haben es auch die Wikinger getan. Volkskundler vermuten seit einigen Jahren, dass sich die Wikinger auf hoher See an polarisiertem Licht orientierten. Und zwar mit Hilfe spezieller Kristalle. Eine Studie zeigt nun, dass diese These aus physikalischer Sicht durchaus plausibel ist.  
So genannte Sonnensteine könnten tatsächlich für die Bestimmung der Himmelsrichtungen gedient haben, berichtet ein Team um den ungarischen Biophysiker Gabor Horvath. Archäologische Belege für diese Vermutung stehen allerdings noch aus.
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"Could Vikings have navigated under foggy and cloudy conditions by skylight polarization? On the atmospheric optical prerequisites of polarimetric Viking navigation under foggy and cloudy skies" von Ramon Hegedus erscheint demnächst auf der Website der "Proceedings of the Royal Society A" (doi: 10.1098/rspa.2007.1811).
->   Proceedings of the Royal Society A
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Navigation mit Sonnenuhren
Nein, Helme mit Hörnern trugen sie nicht, die Wikinger. Aber gute Seefahrer waren sie. In diesem Punkt stimmt die Zeichentrickfolklore mit dem historischen Bild der skandinavischen Händler und Krieger durchaus überein. Zum fortgeschrittenen Seefahrertum gehören allerdings nicht nur Kenntnisse im Schiffbau, sondern auch solche der Navigation.

Woran bzw. womit orientierten sich die Wikinger auf hoher See? Des Nachts am Stand der Sterne sowie mit dem Magnetkompass, würde man fürs erste vermuten. Ersteres stimmt natürlich, aber der Kompass war ihnen noch nicht bekannt, schreibt der dänische Navigationsforscher Soren Thirslund in seinem Buch Viking Navigation.

Wie also dann? Archäologische Funde weisen darauf hin, dass Wikinger Sonnenuhren verwendeten. Auf diesen waren jene Hyperbeln eingraviert, die der Sonnenschatten auf ihrer Hauptsegelroute bei 61 Grad nördlicher Breite beschrieb, was sich für die Bestimmung der Himmelsrichtungen nutzen ließ. Allerdings nur, wenn die Sonne auch wirklich schien. Bei Nebel oder bewölktem Himmel war dieses Gerät nutzlos.
Zwei Schlechtwetter-Hypothesen
Der dänische Archäologe Thorkild Ramskou vermutete daher in den 1960er Jahren, dass die Wikinger noch ein zweites Hilfsmittel in petto hatten: doppelbrechende Kristalle - etwa Cordierit, Turmalin oder Kalkspat -, die man als eine Art Polarisationsfilter für Sonnenstreulicht verwenden kann. Da zwischen der Ausbreitungsrichtung und Schwingungsebene von polarisiertem Licht eine feste Beziehung besteht, hätten die Kristalle auch der Navigation dienen können, vermutete Ramskou.

Eine alternative und sparsamere Hypothese lautet, dass die Wikinger den Sonnenstand mit bloßem Auge herausfanden - schlichtweg durch Beobachtung der Wolkendecke bzw. des nebligen Himmels. Das war allerdings bis vor kurzem graue Theorie, denn überprüft hatte die beiden Vermutungen noch keiner.
Labortest verläuft negativ
Das änderte sich im Jahr 2005, als der ungarische Biophysiker Gabor Horvath einige Probanden in sein Labor einlud. Er legte den Testpersonen Panoramaaufnahmen eines bewölkten bzw. nebligen Himmels vor und bat sie, die Position der Sonne abzuschätzen.

Das Ergebnis: Die Trefferquote war ziemlich mager. Wenn die Wikinger bei der Beurteilung des Sonnenstands ähnlich ungenau wie die Probanden agierten, dürften sie sich auf hoher See wohl regelmäßig verirrt haben. Die Hypothese vom bloßen Auge fällt daher aus, folgerte Horvath damals (JOSA A 22, 1023).
Sonnensteine bleiben im Rennen
Nun hat Horvath mit einigen Kollegen das alternative Modell unter die Lupe genommen. Zu diesem Zweck schlossen sich die Forscher der schwedischen Expedition "Beringia 2005" an, die sie per Schiff von Alaska bis Spitzbergen führte. Auf dieser Reise maßen die Forscher den Anteil des polarisierten Lichts und verglichen das bei Sonnenschein, Nebel und Wolkenhimmel festgestellte Muster.

Horvaths Conclusio: Die Messungen widersprechen Thorkild Ramskous Vermutung zumindest nicht. Bei wolkigem Wetter könnten sich die Wikinger tatsächlich mit den "Sonnensteinen" orientiert haben, bei Nebel dürfte es zwar schwieriger gewesen sein, aber dennoch nicht unmöglich.

Nun sind die Archäologen am Zug: Sollten sie dereinst Cordierit, Turmalin, Kalkspat oder andere doppelbrechende Materialien in ehemaligen Wikingersiedlungen finden, dann hat die Sonnenstein-Hypothese ziemlich gute Karten.

Robert Czepel, science.ORF.at, 7.2.07
->   Wikinger - Wikipedia
->   Navigation - Wikipedia
->   Mehtr zu Wikingern im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010