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Mensch und sein Magenkeim wanderten "Out of Africa"  
  Seit rund fünfzehn Jahren ist bekannt, dass die Mehrheit aller Magengeschwüre auf das unliebsame Bakterium Helicobacter pylori zurückzuführen ist. Jeder Zweite trägt es in seinem Magen. Wie eine aktuelle Studie nachweist, ist der Keim ein alter Bekannter des Menschen: Bereits vor 60.000 Jahren hat er unsere Vorfahren geplagt, als sie Ostafrika verließen.  
Seither haben sie gemeinsam die Erde besiedelt, die genetische Vielfalt des Bakteriums spiegelt sich in jener des Menschen wider, berichtet eine Forschergruppe um Mark Achtman vom Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin.

Diese Ko-Evolution bestätige einmal mehr auch die "Out of Africa"-These über den Ursprung der Menschheit in Ostafrika.
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Die Studie "An African origin for the intimate association between humans and Helicobacter pylori" ist online in "Nature" erschienen (8.2.07; doi: 10.1038/nature05562).
->   Nature
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Intimes Verhältnis seit 58.000 Jahren
Die Beweise für eine parallele Evolution von Menschen und H. pylori fanden die Forscher durch einen Erbgutvergleich von zwei Quellen: zum einen von 769 Helicobacter pylori-Proben, die man aus dem Magen heutiger Menschen aus allen Weltregionen gewonnen hatte, zum anderen vom Erbgut dieser Menschen selbst.

Das Hauptergebnis: "Ganz wie bei den Menschen scheint es so zu sein, dass H. pylori vor rund 58.000 Jahren aus Ostafrika kam. (...) Insgesamt zeigt sich, dass der moderne Mensch schon vor seiner Migration über Afrika hinaus mit H. pylori infiziert war. Der Keim behielt seither sein 'intimes' Verhältnis mit dem Menschen."
Je weiter gewandert, desto geringere DNA-Vielfalt
Grafik: APA
Bei beiden zeigt ihr Erbgut aber deutliche regionale Unterschiede, die auf einer alten genetischen Erkenntnis beruhen: Laut dem Prinzip "Isolation durch Abstand" ("Isolation by distance") ist die genetische Vielfalt einer Population umso kleiner, je weiter sie sich von ihrem Herkunftsort entfernt.

Das heißt: Die Menschen in Afrika haben wegen des Alters der Art bzw. ihrer dortigen Herkunft die größte Variationsbreite ihres Erbguts. Je jünger die ausgewanderte Populationen sind, desto kleiner ist sie.

"Das ist eigentlich ganz logisch, denn in der Zeit, die vergeht, seit eine Population ihr Ursprungsgebiet verlassen hat, nimmt die Zahl der Mutationen im Erbgut immer weiter zu", erklärt Mark Achtman.
85 Prozent Abnahme der Diversität
Das trifft offenbar auch auf den mit dem Menschen gewanderten Helicbacter pylori zu. Aus den Mutationsraten lassen sich nämlich Migration und ursprüngliche Herkunft ableiten.

So sind 85 Prozent der Abnahme der genetischen Diversität bei dem Magenkeim auf die Entfernung heutiger Menschen von ihrer ursprünglichen Heimat in Ostafrika zurück zu führen.
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Nobelpreis 2005 für Endeckung des Magenkeims
Den beiden australischen Medizinern Barry J. Marshall und J. Robin Warren gelang Ende der 1980er Jahre der Nachweis, dass Helicobacter pylori praktisch bei allen Patienten mit chronischer Gastritis sowie wiederkehrenden Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren vorhanden ist und die eigentliche Ursache für deren Entstehen darstellt. Im Jahr 2005 bekamen sie für diese Entdeckung der Medizin-Nobelpreis verliehen.
->   Medizin-Nobelpreis 2005
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Schluss auf Wanderung des Menschen
 
Bild: Max-Planck Institut für Infektionsbiologie

Vor 60.000 Jahren brach Homo sapiens aus seiner ursprünglichen Heimat Ostafrika auf - und nahm das Bakterium Helicobacter pylori mit (kyears = tausend Jahre).

Dennoch ist die genetische Diversität der Bakterien heut laut den Forschern größer als jene des Menschen. Das eröffnet den Forschern die Möglichkeit, aus H. pylori-Daten auch auf die Wanderungsbewegungen des Menschen zu schließen.

"Wir könnten mit Hilfe dieses Bakteriums zusätzliche Informationen über noch kontrovers diskutierte Themen der menschlichen Geschichte bekommen, wenn wir H. pylori gemeinsam mit menschlichen Daten analysieren", so Achtman.

Beispielsweise breiteten sich die Populationen von H. pylori nach der Auswanderung aus Ostafrika örtlich begrenzt in Südafrika, Westafrika, Nordostafrika, Indien und Ostasien aus. Und die Gene der in Europa isolierten Bakterien zeigen zum Beispiel Einflüsse aus Zentralasien - ein Hinweis auf menschliche Einwanderer, die aus Asien nach Europa kamen.

[science.ORF.at/APA/dpa, 7.2.07]
->   Helicobacter pylori (Wikipedia)
->   The Helicobacter Foundation
->   Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Schädel bestätigt "Out of Africa"-Theorie (12.1.07)
->   Helicobacter: Antibiotika-Resistenz problematisch (3.11.06)
->   Gen-Beweis: Wiege der Menschheit liegt in Afrika (8.11.04)
->   Helicobacter pylori legt Immunabwehr im Magen lahm (22.8.03)
 
 
 
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01.01.2010