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Schwertträger: Attraktivität bestimmt Geschlechtsreife  
  Nur der bloße Anblick von attraktiven Männchen kann Fischweibchen bereits sexuell schneller reifen lassen. Britische Forscher haben in Experimenten mit Grünen Schwertträgern eigener Auskunft nach erstmals gezeigt, dass der Zeitpunkt der Geschlechtsreife von visuellen Schlüsselerlebnissen abhängen kann.  
Die Grünen Schwertträger sind nach dem auffälligen schwertähnlichen Schwanzteil benannt, den die männlichen Vertreter ausbilden, um bei der Balz um die Gunst der Weibchen zu buhlen.

Das Team um Craig Walling von der School of Biosciences der University of Exeter untersuchte nun den Zusammenhang von männlicher "Schwertlänge" und Geschlechtsreife der Fische: Lange Schwerter ließen die Weibchen früher reifen. Der Anblick eines langen Schwerts beim Konkurrenten verzögerte hingegen die Geschlechtsreife beim Männchen.
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Der Artikel "Green swordtails alter their age at maturation in response to the population level of male ornamentation" ist online als Vorabpublikation der Fachzeitschrift "Biology Letters" erschienen (14. Februar 2007, doi: 10.1098/rsbl.2006.0608).
->   Abstract (sobald online)
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Eine Frage des Timings
Dem Timing der Geschlechtsreife fällt eine hohe Bedeutung zu, gilt es doch, bestimmte Faktoren abzuwägen: Frühe Geschlechtstreife kann beispielsweise mit kleiner Körpergröße und geringerer Fruchtbarkeit sowie weniger widerstandsfähigem Nachwuchs teuer bezahlt werden - senkt aber das Risiko des Todes, bevor es überhaupt zur Reproduktion gekommen ist.

Andere Faktoren auf der Kosten-Nutzen-Rechnung: Umweltbedingungen wie etwa Zugang zu Futterquellen, Anwesenheit von Feinden, aber auch von potenziellen Partnern.

Es gibt also verschiedene Rahmenbedingungen, unter denen ein Individuum das "richtige" Alter der Geschlechtsreife erreicht, schreiben die Forscher um Walling. Eine entsprechende Wahrnehmung bei den jugendlichen Tieren könne vermutlich den Zeitpunkt der Geschlechtstreife bestimmen.
Chemische Signalwirkung
Dass chemische Stimuli, die von anderen Individuen abgegeben werden, die Zeitplanung beeinflussen, ist bei einer Reihe von Arten nachgewiesen - etwa bei Insekten und Fischen, aber auch bei Säugetieren wie Ratten und Schafen.

Ob visuelle Signale die Geschlechtsreife bestimmen können, war bisher nicht geklärt.
Visuelle auf dem Prüfstand
 
Bild: Craig Walling, University of Exeter

Grüne Schwertträger: Männchen mit Schwert und Weibchen

Die Wissenschaftler untersuchten eine Population von Grünen Schwertträgern (Xiphophorus helleri), eine Art, die in Zentralamerika beheimatet ist. Die verlängerte, bunte Schwanzflosse der zur Balz bereiten Männchen ("Schwert") ist ein optisches Merkmal der Geschlechtstreife.

Die Versuchsfische wurden bei den Experimenten in verschiedenen Aquarien gehalten, so dass sie sich nur sehen konnten. Die Wirkung von chemischen Signalen sollte damit ausgeschlossen werden.
Reaktion der Weibchen ...
Die Weibchen der Gruppe, denen die Forscher Männchen mit langen Schwertern zeigten, erreichten ihre Geschlechtsreife um bis zu vier Monate früher als die Weibchen, denen der Anblick verwehrt wurde.

Früher reifende Weibchen in der Umgebung von "qualitätsvollen" Männchen steigern ihren eigenen Nutzen. Die frühere Geschlechtstreife solle wohl auch das Risiko reduzieren, vor der Reproduktion zu sterben, schreiben die Wissenschaftler.

Die herausgezögerte Geschlechtsreife beim Anblick der kurzen Schwerter sollte wohl die "Kosten" der Weibchen reduzieren und u.a. die Möglichkeit bieten, länger zu wachsen und damit die Fruchtbarkeit zu erhöhen.
... und der Männchen
 
Bild: Craig Walling, University of Exeter

Männlicher Vertreter der Grünen Schwertträger

Junge Männchen, die reife Männchen mit beeindruckender Schwertlänge zu sehen bekamen, reiften später als solche, die weniger starke Konkurrenten mit kürzeren Schwertern sahen.

Die Männchen entziehen sich durch das spätere Reifen dem starken Konkurrenzdruck - bis weniger attraktive Männchen die potenzielle Partnerin streitig machen können.
Unbewusste Wahrnehmung
Bis wohin die Kosten-Nutzen-Rechnung der Fische wirklich greift, sei einmal dahingestellt. Doch: Beide Geschlechter nutzen scheinbar visuelle Schlüsselerlebnisse, um ihre eigenen Möglichkeiten, die eine Geschlechtsreife bietet, auszuloten.

Die Wissenschaftler um Walling schließen nicht aus, dass auch andere Arten den Zeitpunkt ihrer Geschlechtsreife unbewusst von visuellen Schlüsselerlebnissen abhängig machen.

[science.ORF.at, 14.2.07]
->   Biology - University of Exeter
->   Schwertträger - Wikipedia
Mehr zum Thema in science.ORF.at:
->   Schwertträgerfische balzen mächtig für die Konkurrenz (3.11.06)
 
 
 
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01.01.2010