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Brutparasitismus: Gewalt im Vogelnest  
  Brutparasiten - wie etwa Kuckucksvögel - brüten ihre Eier nicht selbst aus, sondern legen sie in Nester fremder Arten. Das funktioniert in der Regel deshalb, weil die Wirte Kuckuckseier mit ihren eigenen verwechseln. US-Forscher berichten nun von Brutparasiten, die ihrem optischen Täuschungsmanöver anderweitig Nachdruck verleihen - mit roher Gewalt.  
Braunkopf-Kuhstärlinge zwingen Zitronenwaldsänger gleichsam zur Aufzucht ihrer Nachkommen, indem sie Nester unwilliger Wirtsvögeln zerstören, schreiben Jeffrey Hoover und Scott Robinson von der University of Florida in Gainesville.
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"Retaliatory mafia behavior by a parasitic cowbird favors host acceptance of parasitic eggs" von Jeffrey P. Hoover und Scott K. Robinson erscheint zwischen 5. und 9. März auf der Website der "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0609710104).
->   Abstract (sobald online)
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Attacke gegen "Aufrührer"
Hoover und Robinson hatten im Süden des US-Staates Illinois das Verhalten nordamerikanischer Braunkopf-Kuhstärlinge (Molothrus ater) untersucht, die ihre Eier zum Ausbrüten in fremde Nester legen. Mit Nistkästen lockten die Forscher Zitronenwaldsänger (Protonotaria citrea) als "Zieheltern" an. Insgesamt beobachteten sie von 1996 bis 2002 mehr als 470 Nester.

Weigerten sich die Ersatzeltern, sich des fremden Nachwuchses anzunehmen, zerstörten die Stärlinge in mehr als der Hälfte der Fälle die Nester der "Aufrührer". Dagegen wurden bei den "vorbildlichen" Wirtspaaren nur sechs Prozent der Nester attackiert.
Präventive Einschüchterung
 
Bild: PNAS

Bild oben: Die Eier der Kuhstärlinge ("Cowbird") und der Zitronenwaldsänger ("Warbler").

Der Studie zufolge wurde auch ein Fünftel derjenigen Nester attackiert, in die die Schmarotzern noch kein Ei gelegt hatten. Derartige Attacken seien nur scheinbar sinnlos, schreiben die Forscher. Zum einen würden die potenziellen "Gasteltern" auf diese Weise eingeschüchtert und zum anderen deren Brut so lange hinaus gezögert, bis die Stärlinge zur Eiablage bereit seien.
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"Mafia-Verhalten"
Ein Kuriosum am Rande: Ornithologen bezeichnen Strategien, wie sie etwa Braunkopf-Kuhstärlinge verfolgen, mitunter als "mafia behavior". Die Idee, dass Brutparasiten ihren Fortpflanzungserfolg durch Disziplinierungsmaßnahmen optimieren könnten, stammt vom israelischen Verhaltensforscher Amotz Zahavi. Er hat dieses Konzept bereits 1979 in dem Artikel "Parasitism and nest predation in parasitic cuckoos" vorgestellt (American Naturalist 113:157-159).
->   Amotz Zahavi - Wikipedia
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Konformismus langfristig erfolgreicher
Kuhstärlinge sind die einzigen nordamerikanischen Vögel, die ihre Jungen von anderen Vögeln ausbrüten und aufziehen lassen. Als "Gasteltern" nutzen sie mehr als 100 verschiedene Vogelarten. Die Jungvögel schlüpfen früher als die Brut der Wirtsvögel und werfen die unliebsame Futterkonkurrenz sofort aus dem Nest. Mitunter gelingt es den Ersatzeltern aber, neben dem Stärling auch einige eigene Küken großzuziehen.

Genau diese Ausnahmen sorgten dafür, dass es für Wirtsvögel sinnvoller ist, den "Fremdling" aufzuziehen, als dies zu verweigern und in der Folge das Nest samt eigener Brut zerstört zu bekommen, erklären die Forscher. In den beobachteten Fällen hätten die aufrührerischen Waldsänger 60 Prozent weniger eigenen Nachwuchs groß gezogen als ihre duldsamen Artgenossen.

Die Duldung der aufgezwungenen Mehrarbeit dürfte insgesamt betrachtet die bessere Fortpflanzungsstrategie sein. Bisher wurden solche Fälle eher mit dem Hinweis erklärt, dass die Wirtsvögel noch nicht gut genug an ihre Parasiten angepasst seien.

[science.ORF.at/dpa, 6.3.07]
->   Brutparasitismus - Wikipedia
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01.01.2010