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Soziologe Jean Baudrillard ist tot  
  Der weltberühmte französische Soziologe Jean Baudrillard ist tot. Wie Vertraute Baudrillards der Nachrichtenagentur AFP sagten, starb er am Dienstag in Paris. Er wurde 77 Jahre alt.  
Der einstige Deutschlehrer Baudrillard war emeritierter Professor der Universität Paris X Nanterre und lehrte Kulturphilosophie und Medientheorie an der European Graduate School in Saas-Fee (Schweiz).
Kritiker der Konsum- und Mediengesellschaft
Bild: EPA
Der 1929 geborene Baudrillard galt als einer der einflussreichsten zeitgenössischen französischen Denker und scharfer Kritiker der Konsum- und Mediengesellschaft.

"In der Sprache der Werbung, so die kopernikanische Wende des Soziologen, entscheiden sich die Dinge zwischen den verschiedenen Kunden, suchen sich die Waren ihre Käufer aus. Der Konsument wird durch die Dinge identifiziert, in Differenz zu anderen Konsumenten gesetzt und braucht so nicht mehr selbst herauszufinden, was er will - um den Preis allerdings, die Werbung als Droge zu akzeptieren, die ihn sich als permanent defizitär empfinden lässt und ihn den Dingen in die Arme treibt", fasste Dirk Baecker, ein Schüler von Niklas Luhmann, diesen Aspekt des Baudrillardschen Werks zusammen.
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Hyperrealität und Simulation
Bekannt wurde Baudrillard nicht zuletzt durch seine Analysen der Symbolsysteme der Moderne und Postmoderne. Er schrieb über zahlreiche Themen wie Simulation, Cyberspace, Hyperrealität und Virtualität.
->   Baudrillard: Meister provokanter Thesen (ORF.at)
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"Immer weniger verstanden"
Baudrillard verfasste rund 50 Bücher:Als seine Hauptwerke gelten "Der symbolische Tausch und der Tod" und "Requiem für die Medien".

Der einstige Marxist mokierte sich zunehmend auch über linke Utopien oder die Vorstellung, Intellektuelle könnten die Politik beeinflussen. Seine scharfen Aphorismen würden "mit der Zeit immer weniger verstanden", stellte er nüchtern fest; "doch das ist mein Problem".

In Büchern setzte sich Baudrillard auch mit den USA auseinander. Nach einer US-Reise beschrieb er diese als "Originalversion der Modernität, von der wir die synchronisierte und mit Untertiteln versehenen Version sind".
Beschäftigung mit "Geist des Terrorismus"
Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 widmete er sich in einem Zeitungsartikel auch dem "Geist des Terrorismus".

Darin bezeichnete Baudrillard die Terrorhandlungen als das "vergrößerte Abbild" der eigenen Gewalt des Systems. Nach Veröffentlichung des Artikels wurde ihm "geistiger Terrorismus" vorgeworfen.

Baudrillard wurde abwechselnd als Nihilist oder Moralist eingestuft; Kritiker wie Alan Sokal und Jean Bricmont warfen ihm vor, seine Werke seien in Wirklichkeit inhaltsleer.

[science.ORF.at/APA/AFP, 7.3.07]
->   Baudrillard (50 Klassiker der Soziologie, Uni Graz)
->   Baudrillard on the Web
->   "SZ"-Interview: "Frankreich ist nur ein Land, Amerika ist ein Modell"
->   "Das perfekte Verbrechen"
Mehr über Baudrillard in science.ORF.at:
->   Baudrillard über Gobalisierung und den 11. September (18.3.02)
->   Jean Baudrillard: Requiem für die Twin Towers (16.3.02)
 
 
 
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01.01.2010