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Gehirnscans zeigen, wie unbewusste Reize wirken  
  Das menschliche Gehirn ist voller Wunder: Wir registrieren Bilder, auch wenn wir es gar nicht merken. Diese Bilder werden unbewusst verarbeitet und können unsere bewussten Handlungen beeinflussen. US-Forscher haben nun mit Gehirnscans gezeigt, wie diese so genannten subliminalen Reize wirken.  
Laut Bahador Bahrami vom Institut für Kognitive Neurowissenschaft der Londoner Universität UCL und seinem Team hängt die Verarbeitung von der Konzentration der Menschen ab: Ist unser Gehirn gerade mit komplizierten Denkprozessen beschäftigt, werden die unbewussten Reize gar nicht verarbeitet.

Hat das Gehirn aber noch Kapazitäten frei, werden Areale aktiviert wie bei bewusst wahrgenommen Reizen.
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Die Studie "Attentional Load Modulates Responses of Human Primary Visual Cortex to Invisible Stimuli" ist online in "Current Biology" (doi:10.1016/j.cub.2007.01.070; 8.3.07) erschienen.
->   Die Studie
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Eine Freude für die Werbewirtschaft?
Subliminalforschung ist eine Disziplin der Psychologie und Kognitionswissenschaften, die eine Tradition von über 150 Jahren hat.

Untersucht werden dabei Reize, die unterhalb der Bewusstseinsschwelle wahrgenommen werden. Diese Reize lösen im Gehirn Reaktionen aus, ohne mit einer bewussten Wahrnehmung verknüpft zu sein.

Verständlicherweise hat diese Eigenschaft des menschlichen Gehirns in unserer kapitalistischen Gesellschaft vor allem die Werbefachleute erfreut. Unbewusste Signale auszusenden, die Kaufentscheidungen fördern, erscheinen ihnen als erstrebenswert.
Vermeintlicher Beweis in den 1950er Jahren
Schon in den 1950er Jahren sorgte der amerikanische Marktforscher James Vicary für Aufregung: Er behauptete, mit Hilfe "subliminaler Werbung" - Botschaften, die während eines Kinofilms nur für den Bruchteil einer Sekunden zu sehen waren - den Absatz von Popcorn und Softdrinks deutlich gesteigert zu haben.

Später stellte sich dies als Fälschung heraus, subliminale Werbung wurde dennoch in vielen Ländern verboten.

Bis heute bestehen keine eindeutigen Beweise, dass diese unbewussten Botschaften tatsächlich Kaufentscheidungen beeinflussen können. Dennoch beschäftigen sich zahllose Marketingexperten mit der Frage, wie man verkaufsfördernde Stimmungen herstellen kann.
->   Das Experiment von James Vicary (NZZ)
Visueller Cortex wird auch unbewusst aktiviert
Welche Reaktionen subliminale Botschaften im Gehirn auslösen, haben nun die Forscher um Bahador Bahrami mit Hilfe von Magnetresonanztomographien untersucht.

Konkret sollten Gehirnscans zeigen, ob Bilder, die auf die Netzhaut des Auges treffen, auch dann Reaktionen im primären visuellen Cortex des Gehirns auslösen, wenn sie nicht bewusst wahrgenommen wurden. Die Experimente zeigten, dass genau dies der Fall war.

"Die Gehirnreaktion zeigt sich, obwohl die Versuchsteilnehmer glaubten, überhaupt nichts gesehen zu haben. Das verweist darauf, welche Wirkung subliminale Werbung auf das Gehirn haben kann. Ob das unsere Kaufentscheidungen beeinflusst, war nicht Gegenstand der Studie, ich halte das aber für ziemlich wahrscheinlich", so Bahrami in einer Aussendung.
Spezialbrille täuscht die Augen
Bei den Experimenten trugen die Versuchsteilnehmer Brillen mit einem rot-blau-Filter. Sie sorgten dafür, dass auf einem Bildschirm für das eine Auge sehr schwache Bilder von Alltagsobjekten wie Zangen oder Bügeleisen zu sehen waren. Das andere Auge sah ein sehr stark blitzendes Bild.

Die relativ junge Methode nennt sich "continuous flash suppression" und dabei löscht das blitzende Bild des einen Auges gleichsam das Bewusstsein des anderen, schwachen Bildes aus.
Konzentrationsgrad bestimmt Wahrnehmung ...
Während die Studienteilnehmer diese Brille aufgesetzt hatten, musste sie zwei Aufgaben erledigen, die unterschiedlich schwierig waren und unterschiedliche Konzentration verlangten.

Bei dem schwierigeren Test zeigten die Gehirnscans keine Aktivität der Sehzentren, das Gehirn scheint also derart mit dem Verarbeiten der Aufgabe beschäftigt zu sein, dass es die subliminalen Bilder "blockiert".

Dies, so Bahrami, sei ein Hinweis darauf, dass selbst das Unbewusste einen gewissen Grad an "Aufmerksamkeit" benötigt, um subliminale Bilder zu bemerken.
... selbst durch das Unbewusste
Für Bahrami werden somit eine Grundannahme der Psychologie und Neurowissenschaft erschüttert, wonach unbewusste Prozesse "automatisch, ohne Aufwand und unabhängig von der Aufmerksamkeit" ablaufen.

"Wenn das Gehirn gerade nicht die Kapazität hat, dann werden Bilder selbst von unserem Unbewussten nicht registriert."

[science.ORF.at, 12.3.07]
->   Unterschwellige Reize (Uni Bielefeld)
->   NZZ: Wie manipulierbar ist die Urteilskraft?
->   Flash supression (Wikipedia)
->   Institut für Kognitive Neurowissenschaft, UCL
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Unterschwellige Werbung ändert Konsumverhalten (27.4.06)
 
 
 
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01.01.2010