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Computer simuliert Entwicklung von Meinungen  
  Zwei Gruppen von Menschen mit entgegen gesetzten Meinungen kommen nur selten auf einen gemeinsamen Standpunkt. Ob sie es dennoch schaffen können, hängt laut einem Computer-Modell vom Grad der Kommunikation über die Gruppengrenzen hinweg ab.  
Die Grundzüge der Verbreitung von Meinungen haben Physiker um Renaud Lambiotte von der Universität Lüttich in Belgien mit Hilfe von zwei theoretischen Gruppen simuliert.

Diese waren zu Beginn vollständig isoliert, später begannen die Mitglieder graduell unterschiedlich und gruppenübergreifend miteinander zu "sprechen".
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Die Studie "Majority model on a network with communities" ist in "Physical Review E" (75, 030101(R); 7.3.07) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Innerhalb der Gruppe bald gleiche Meinung
Der Einfachkeit halber wurde davon ausgegangen, dass jedes Mitglied nur eine von zwei Meinungen hat, die zu Beginn zufällig verteilt waren.

Eine weitere Grundannahme bestand darin, dass sich die einzelnen Personen nach einer Mehrheitsregel verhalten, d.h. tendenziell jene Meinung annehmen, die von einer Mehrheit des eigenen sozialen Netzes geteilt wird.

Das mathematische Modell der ersten Phase zeigte, dass die Personen einer Gruppe recht schnell zu einer von allen Gruppenmitgliedern geteilten Meinung kamen. Dies galt unabhängige voneinander für beide Gruppen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in beiden Gruppen die gleiche Meinung durchsetzte, war genauso hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich auf entgegen gesetzte Standpunkte einigten.
Gruppen-Kommunikation lässt Gemeinsamkeit entstehen
In einem zweiten Schritt begannen die Individuen über die Gruppengrenzen hinweg miteinander zu kommunizieren. Zuerst, so die Forscher, änderte sich an der Meinungsbildung nichts, die Gruppen kamen nach wie vor unabhängig voneinander zu ihren Ansichten.

Ab einer gewissen Schwelle des Austausches kam es aber zu einem Umschwung - und die Mitglieder beider Gruppen entwickelten die gleichen Meinungen. Es reichten nur einige wenige neue Verbindungen zwischen den Gruppen, um diese Änderung - von gegenteiligen zu gemeinsamen Überzeugungen - zu erreichen.

"Mit diesem abrupten Übergang haben wir nicht gerechnet. Das bedeutet, dass schon kleine Änderungen in einer Netzwerkstruktur drastische Auswirkungen haben kann", kommentierte Renaud Lambiotte im Online-Dienst des "New Scientist".
Erklärung für Blogger-Polarisierung
Nun funktioniert Kommunikation zwischen Menschen in der gesellschaftlichen Realität nicht so einfach. Dennoch lassen sich laut den Forschern mit ihrem Modell auch soziale Phänomene beschreiben: etwa die Frage, warum die Blogger-Community in den USA derart polarisiert ist.

Während es sehr starke Netzwerke an liberalen, den Demokraten nahe stehenden Blogs gibt, existiert auch eine eingeschworene Gemeinde konservativer, den Republikanern zuzurechnende.

So sehr diese polarisierten Communities - durch die zusätzliche Zustimmung zur allgemeinen Meinung einiger weniger - plötzlich und nicht graduell entstehen, so beständig erweist sich nach Angaben der Forscher ihre Lebensdauer.

[science.ORF.at, 15.3.07]
->   Renaud Lambiotte
->   New Scientist
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Netzwerke: Die Zukunft der Gesellschaft (1.12.05)
->   Netzwerkanalyse: Macht ist robust und anpassungsfähig (31.8.04)
 
 
 
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01.01.2010