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Kabellose Stromversorgung durch Resonanz  
  US-Forscher haben eine kabellose Art der Energieübertragung namens "WiTricity" vorgestellt. Erste Versuche waren bereits erfolgreich: Eine 60-Watt-Glühbirne wurde "wireless" mit Strom versorgt. In Zukunft sollen Notebooks und andere Haushaltsgeräte folgen.  
Die Methode beruht auf dem Prinzip der magnetischen Resonanz, berichten Forscher um Marin Soljacic vom Massachusetts Institute of Technology (MIT).
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"Wireless Power Transfer via Strongly Coupled Magnetic Resonances" von A. Kurs et al. wurde auf der Website von "Science" (doi: 10.1126/science.1143254; 7.6.07) veröffentlicht.
->   Abstract der Studie
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Piep, Piep, Piep
Man darf vermuten, dass sich Marin Soljacic auch schon früher für kabellose Energieübertragung interessiert hat. Angesprochen auf die Ursprünge seines Forschungsprojektes erzählt er jedenfalls gerne folgende Anekdote.

Vor einigen Jahren sei er mitten in der Nacht aufgestanden, in die Küche gegangen und habe sein Handy angestarrt. "Es war ungefähr das sechste Mal in diesem Monat, dass mich mein Mobiltelefon durch lautes Piepen weckte und mich wissen ließ, dass ich es aufladen müsse. Ich dachte mir, es wäre großartig, wenn sich das Ding selbst darum kümmern könnte," so Soljacic in einer MIT-Aussendung.

Die kabellose Übertragung von Energie ist an sich keine große Sache. Radios etwa funktionieren nach diesem Prinzip: Sie empfangen elektromagnetische Wellen einer bestimmten Frequenz (damit auch Energie) mit einer Antenne - also ohne Kabel.

Allerdings ist diese Methode nur für die Verbreitung von Information geeignet. Nachdem sich Radiowellen in alle Richtungen ausbreiten und in den Weiten des Raumes verlieren, sind sie als Medium der Energieversorgung viel zu uneffektiv.
Resonanz: Der Pavarotti-Effekt
Aus diesem Grund machten sich Soljacic und seine Mitarbeiter ein Phänomen zunutze, das wir aus dem Alltag gut kennen: die Resonanz. Wenn etwa ein Kind auf einer Schaukel sitzt und mit den Beinen schwingt, dann treibt es nur dann die Bewegung der Schaukel an, wenn das zum richtigen Zeitpunkt passiert. Anders ausgedrückt: Es wird nur dann Energie in die Schwingung gepumpt, wenn die Frequenzen der beiden Systeme aufeinander abgestimmt sind.

Zweites Beispiel: Angenommen, ein stimmgewaltiger Opernsänger - sagen wir: Luciano Pavarotti - betritt einen Raum, in dem 100 identische Weingläser stehen. In diesen befindet sich Wasser, allerdings sind sie unterschiedlich stark befüllt, sodass die 100 Gläser jeweils individuelle Resonanzfrequenzen besitzen.

Wenn nun unser Luciano Pavarotti das hohe C in Bestform in den Raum schmettert, könnte eines der Gläser zerspringen, während die anderen völlig unbeschädigt bleiben.
Kupferspulen tauschen Energie
 
Bild: Science

Auf einem ähnlichen Prinzip basiert die "wireless electricity", kurz: "WiTricity", die nun von Soljacic und Kollegen vorgestellt wurde. Nur geht es dabei um magnetische Resonanz: Die MIT-Forscher verwendeten zwei Kupferspulen, von denen eine an eine Stromquelle angeschlossen wurde und als Sender fungierte. Die andere diente als Empfänger.

Erstere erzeugte nun ein magnetisches Feld, ein so genanntes "non-radiative field", das im Megahertzbereich oszillierte. Das löste in der zweiten Spulen Resonanzen aus und führte zur Übertragung von Energie.

Immerhin genug, um eine 60-Watt-Glühbirne über eine Distanz von gut zwei Metern zum Leuchten zu bringen. Das ganze funktionierte auch dann, wenn zwischen Sender und Empfänger eine Trennwand aufgestellt wurde (Bild oben). "Der entscheidende Vorteil bei dieser Art von Feld ist, dass die vom Empfänger ungenutzte Energie im unmittelbaren Bereich des Senders bleibt und nicht in die weitere Umgebung abgestrahlt wird", betont Robert Moffatt, ein Co-Autor der Studie.

Die Methode ist allerdings nicht über beliebig große Distanzen einsetzbar. Mit dem momentanen Design sind einige Meter realistisch. Das würde ausreichen, um etwa einen Laptop mit Energie zu versorgen, sofern er sich in einem Raum mit "WiTricity" befindet.
Altes neu entdeckt
Auch wenn die neue Technik an High Tech oder gar Science Fiction erinnern mag: Die physikalischen Prinzipien, auf denen sie basiert, sind seit vielen Jahren bekannt. Ein Transformator, bei dem Energie von einer Spule zur nächsten übertragen wird, funktioniert im Wesentlichen genauso, nur müssen dabei die beiden Spulen sehr nahe sein.

Für größere Entfernungen sind klassische Trafos ungeeignet. "Das ist eben das Wunderbare an der Resonanzkopplung", sagt Soljacic' Mitarbeiter Aristeidis Karalis. "Die übliche magnetische Induktion ohne Resonanz würde bei unserem System eine Million Mal weniger effizient arbeiten."
Kabeln - "seltsam und ziemlich unpraktisch"
Frage an Marin Soljacic: Gehört der neuen Technologie die Zukunft? Der MIT-Forscher antwortet wieder mit einer Anekdote.

"Als mein Sohn drei Jahre alt war, besuchten wir einmal seine Großeltern, die in ihrem Haus ein 20 Jahre altes Telefon hatten. Er nahm den Hörer in die Hand und fragte: 'Papa, warum ist das Telefon mit einem Kabel an der Wand festgemacht?' Das ist die Denkweise eines Kindes, das in einer kabellosen Welt aufgewachsen ist. Ich antwortete: 'Das ist doch seltsam und ziemlich unpraktisch - oder?' Ich hoffe, wir werden bald noch mehr Kabel loswerden - und am besten auch die Batterien."

[science.ORF.at, 8.6.07]
->   Marin Soljacic - MIT
->   Resonanz - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010