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Materialtest: Mondteleskop mit flüssigem Spiegel  
  Ab 2013 soll das James-Webb-Teleskop im Weltall das schon etwas altersschwache Hubble-Teleskop ablösen. Noch bessere Bilder aus dem Universum versprechen sich kanadische Forscher von einem Teleskop, das auf dem Mond errichtet werden könnte. Sein Spiegel soll flüssig sein: Das dafür notwendige extrem widerstandsfähige Material haben die Forscher nun vorgestellt.  
Dabei handelt es sich um eine mit Silber beschichtete ionische Flüssigkeit, berichtet ein Team von Quantenoptikern um Ermanno Borra von der Universität Laval in Kanada.

Die Oberfläche der Flüssigkeit ist völlig glatt und die Silberschicht über Monate stabil. Die Flüssigkeit unterhalb des Silbers verdampft nicht und bleibt bis zu einer Temperatur von minus hundert Grad Celsius unverändert.
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Die entsprechende Studie "Deposition of metal films on an ionic liquid as a basis for a lunar telescope" ist in "Nature" (Bd. 447, S. 979, Ausgabe vom 21.6.07) erschienen.
->   Abstract
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Geringere Masse, größer und billiger
Die Idee des Mondteleskops ist nicht neu: Bereits 1991 hat sie Ermanno Borra in einem Artikel für das "Astrophysical Journal" (Bd. 373, S. 317) vorgestellt.

Darin zählte er die - hypothetischen - Vorteile von flüssigen Spiegeln gegenüber herkömmlichen aus Glas auf: Sie hätten eine geringere Masse, könnten ungleich größer sein und wären beim Transport - zumal auf den Mond - viel einfacher handzuhaben.

Insgesamt würden sie eine kostengünstige Alternative zu Teleskopen wie Hubble oder James Webb darstellen.
Irdisches Flüssig-Teleskop existiert bereits
 
Bild: University of British Columbia

Dass es sich dabei nicht um bloße Science Fiction handelt, beweist das Large Zenith Telescope im kanadischen British-Columbia.

Das mit sechs Metern Durchmesser drittgrößte Teleskop in Nordamerika verfügt über einen flüssigen Quecksilber-Spiegel und ist bereits voll funktionstüchtig (siehe Bild oben).

Die NASA möchte aus der Fiktion des Mondprojekts etwas mehr Science machen - ihr "Institute für Advanced Concepts" hat vor drei Jahren entsprechende Studien zu einem "Lunar Liquid Mirror Telescope" finanziert.
->   Large Zenith Telescope
Silberschicht auf ionische Flüssigkeit gedampft
 
Bild: Omar Seddiki (U. Laval)

Das neu verwendete Material: ionische Flüssigkeit mit Silberschicht, Durchmesser fünf Zentimeter.

Bevor es aber auch nur an die theoretische Möglichkeit geht, ein derartiges Gerät auf dem Mond zu bauen, mussten einige grundlegende Probleme gelöst werden. In erster Linie betrifft das die Beschaffenheit der Flüssigkeit des Spiegels, die den Bedingungen auf dem Erdtrabanten - bis zu minus 150 Grad Celsius - angepasst sein muss.

Genau dieses Problem wollen Borra und sein Team nun gelöst haben. Sie haben Silber im Vakuum auf die ionische Flüssigkeit 1-Ethyl-3-Methylimidazolium-Ethylsulfat ("ECOENG 212") aufgedampft.

Der daraus resultierende Silberbelag ist laut den Forschern komplett glatt, hochreflektierend, über Monate stabil und die Flüssigkeit darunter verdampft nicht.
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Ionische Flüssigkeiten
Ionische Flüssigkeiten sind Salze, die bei einer Temperatur unter 100 Grad Celsius flüssig sind und ausschließlich aus Ionen bestehen. Bei Zimmertemperatur oder darunter verfügen sie kaum über einen Dampfdruck und sind äußerst zähflüssig - ideale Voraussetzungen für die Bedingungen auf dem Mond, auf dem es bis zu minus 150 Grad Celsius haben kann.
->   Ionische Flüssigkeiten (Wikipedia)
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1000 Mal leistungsstärker als James-Webb-Teleskop
Nach Ansicht der Forscher könnte man mit dem Material ein Mondteleskop bestücken, das einen Durchmesser von 20 bis 100 Meter hat.

Das Gerät wäre in der Lage Objekte zu erkennen, die bis zu tausend Mal schwächer strahlen, als jene, die das James-Webb-Teleskop ab 2013 detektieren kann.

Eingesetzt werden könnte das Mondteleskop vor allem im Infrarotbereich, womit ein bisher unerreichter Blick in die Kinderstube unseres Universums möglich wäre, betonen die Forscher.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 21.6.07
->   Center for Optics, Photonics, and Laser, Universite Laval
->   NASA Institute for Advanced Concepts
->   Ermanno Borra, Universität Laval
->   James Webb Space Telescope
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   NASA rettet Weltraumteleskop "Hubble" (2.11.06)
->   James Webb-Teleskop: Austrian Aerospace baut mit (2.3.06)
 
 
 
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01.01.2010