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China kämpft gegen Wüstenbildung  
  Um China zu modernisieren, ließ Mao Tse-Tung vor fünf Jahrzehnten Wasserreservoirs in abgelegenen Gebieten im Nordwesten des Landes bauen. Diese Projekte haben der Regierung in Peking heute ein ernsthaftes Umweltproblem beschert: Das Land versandet. Nirgendwo breiten sich die Wüsten so rasch aus wie in der Volksrepublik. Übermäßiger Ackerbau hat den Grundwasserspiegel so stark absinken lassen, dass immer mehr fruchtbares Land der Wüste weichen muss.  
Ein Drittel des Landes betroffen
Schon jetzt ist ein Drittel Chinas von Wüstensand bedeckt. Ursachen sind Überweidung, Abholzung, Verstädterung und Dürreperioden. Wanderdünen haben tausende Dörfer entlang der Seidenstraße verschluckt und Sandstürme ausgelöst.

Staub aus China verdunkelt den Himmel über Südkorea und ist sogar mit Atemwegserkrankungen in Kalifornien in Verbindung gebracht worden. Sandstürme gibt es inzwischen zwei Dutzend pro Jahr, fast sechs Mal so viele wie noch vor 50 Jahren, wie Wang Tao von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Lanzhou berichtet.
Großes Umsiedlungsprogramm
Um den Vormarsch der Tengger- und der Badain-Jaran-Wüste zu stoppen, wollen die Behörden in der Provinz Gansu in einem letzten Versuch rund 20 Dörfer in neues, fruchtbares Grasland verwandeln. Die Bauern haben dreieinhalb Jahre Zeit, ihre Häuser und ihr Land aufzugeben. Er wolle natürlich nicht weggehen, sagt Chen Ying. Aber "wir müssen an die nächste Generation denken", erklärt der 58-Jährige schulterzuckend.

Das Umsiedlungsprogramm ist Teil umfassender staatlicher Maßnahmen, um China vor einer weiteren Versandung zu schützen. Seit 2001 hat die Regierung umgerechnet knapp 6,8 Milliarden Euro in Aufforstung und die Umwandlung von Ackerland in Waldflächen investiert und die Abholzung von Bäumen verboten.
Versorgung mit Lebensmitteln in Gefahr
Einer der Gründe ist die Sorge um die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln: China verfügt über nur sieben Prozent des urbaren Landes weltweit, muss davon aber mehr als 20 Prozent der Weltbevölkerung ernähren - 1,3 Milliarden Menschen. Die USA verfügen dagegen über ein Fünftel des urbaren Landes und müssen davon nur fünf Prozent der Bevölkerung ernähren.

Schon jetzt sei wegen der Ausbreitung der Wüsten die Getreideproduktion Chinas von 432 Millionen Tonnen im Jahr 1998 auf 422 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr zurückgegangen, berichtet der Wissenschaftler Lester Brown vom Earth Policy Institut. Zugleich sei der Verbrauch von rund 4,4 Millionen Tonnen jährlich auf 418 Millionen Tonnen gestiegen.
Wasser wird zur Mangelware
Ein während Maos "Großem Sprung nach vorn" gebautes Wasserreservoir in Gansu ist heute nur noch halb voll, die Bauern gruben inzwischen tausende Brunnen für die Wasserversorgung. Der Grundwasserspiegel sank dadurch erschreckend, der Boden versalzte. Aus Sorge, die Wüste könnte auch die knapp 60 Kilometer entfernte Stadt Minqin erreichen, entschlossen sich die Behörden zu einem Wiederaufforstungsprogramm als Gegenmaßnahme.

"Falls die Regierung nichts tut, könnte das gesamte Gebiet verwüsten", sagte Sun Qingwei von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Es gebe zwar auch andere Möglichkeiten, "aber das ist die schnellste Lösung. Die Regierung kann den Leuten zeigen, dass sie etwas tut".

Im Dorf von Bauer Chen haben die Behörden schon jetzt die Benutzung von Brunnenwasser für Bewässerung verboten und gedroht, den Einwohnern noch vor dem geplanten Umzug den Strom abzuschalten.
Jährliche Kosten: 5 Mrd. Euro
Nach Angaben der englischsprachigen Zeitung "China Daily" entstehen durch die zunehmende Wüstenbildung jährlich wirtschaftliche Verluste in Höhe von umgerechnet 5,3 Milliarden Euro. In den vergangenen zehn Jahren hätten die Wüsten jährlich 2.460 Quadratkilometer Land verschluckt, berichtet Wissenschaftler Wang. Zwar hätten mehrere Länder mit diesem Problem zu kämpfen, sagt Brown vom Earth Policy Institut. Aber nirgendwo sei es so groß wie in China.

Den 10.500 Bewohnern der Provinz Gansu haben die Behörden umgerechnet bis zu 600 Euro Abfindung pro Familie für die Umsiedlung geboten. In Waixi sind schon rund zwei Drittel der Einwohner gegangen, rund 60 sind in ihrem Dorf geblieben. Auch anderswo wollen viele nicht gehen - auch, weil sie der Behörden bei der Auszahlung von fairen Abfindungen nicht trauen. "Die Regierung geht zwar gegen den Vormarsch der Wüste vor, aber wir sind diejenigen, die dafür bezahlen müssen", sagt Li Jianzhu, ein dreifacher Vater aus Waixi.

Michael Casey, AP, 9.7.07
->   Desertifikation - Wikipedia
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01.01.2010