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Globus-"Schöpfer": 500. Todestag von Martin Behaim  
  Martin Behaim war ein Nürnberger Kaufmann und ist heute vor allem als Schöpfer des ältesten erhaltenen Globus bekannt. Doch um seine Biographie ranken sich viele Mythen, von der Umseglung der halben Welt bis zur Revolutionierung der Nautik. Behaim war ein außergewöhnlicher Mann, den die Nachwelt aber noch außergewöhnlicher gemacht hat. Am Sonntag jährt sich sein Todestag zum 500. Mal.  
Portugal entdeckt die Welt
Im 15. Jahrhundert machte sich ein kleines, von Fischern bevölkertes Land auf, die Ordnung der Welt nachhaltig durcheinander zu bringen. Portugal begann, die Grenzen der damals bekannten Welt zu erweitern.

Die Portugiesen erfanden einen neuen Schiffstyp, die Karavelle, mit der das Segeln gegen den Wind möglich wurde, und sie verbesserten die Methoden der Astronavigation, um auch abseits von Küsten ihren Standort sicher bestimmten zu können.

Mittendrin befand sich ein Tuchhändler aus Nürnberg, den das Schicksal ins ferne Lissabon verschlagen hatte: Martin Behaim.
Weltreisender, Entdecker, Kartograph?
Behaim soll ein wahres Multitalent gewesen sein. Mit seinem "Erdapfel", dem ältesten erhaltenen Globus, soll er die Kugelgestalt der Erde vorausgesehen haben.

Außerdem werden ihm mehrere Entdeckungsfahrten zugeschrieben, etwa zur Mündung des Kongo oder gar nach Brasilien und zur Magellanstraße in Feuerland - und das vor Kolumbus (mit dem er vielleicht befreundet war).

Am 29. Juli 2007 jährt sich der Todestag von Martin Behaim zum fünfhundertsten Mal. Behaim wird oft in einem Atemzug mit Marco Polo genannt - sein Beitrag zur Entdeckung der Welt ist aber umstritten, denn die meisten Behauptungen über sein Wirken sind völlig haltlos.
Wenig über das Leben Behaims bekannt
In Wirklichkeit ist über das Leben des Martin Behaim sehr wenig bekannt. Sicher ist, dass er am sechsten Oktober 1459 in Nürnberg zur Welt kam und 1476 begann, als Händler tätig zu sein. 1484 beschloss er, in ferne Länder zu ziehen und kam dabei zuerst nach Lissabon.

Er nahm an verschiedenen Seereisen teil, heiratete die Tochter des Gouverneurs zweier Azoreninseln und bekam so Zugang zum portugiesischen Adel.

Die Zeit von 1490 bis 1493 verbrachte er wieder in Nürnberg, es entstand sein berühmter Globus. Später ging er nach Portugal zurück, verarmte vollkommen und starb am 29. Juli 1507 in Lissabon.
"Legenden aus dem 19. Jahrhundert"
Bild: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
Behaim-Globus
"Viele der Legenden über Behaim stammen aus dem 19. Jahrhundert", sagt Günther Görz, Informatiker an der Uni Erlangen, in den Ö1 Dimensionen. "Man weiß, dass er auf den Azoren war, sehr viel weiter nach Westen ist er sicher nicht gekommen." Görz ist gerade damit beschäftigt, den Behaim'schen "Erdapfel" zu digitalisieren.

Auch sein Wirken als Nautiker und Kartograph wird großteils in Frage gestellt. Der Behaim-Globus ist jedenfalls nicht so "brauchbar", wie er oft dargestellt wird. Tatsächlich ist er vollgeschrieben und geschmückt mit mythischen Darstellungen. Auch auf geographischem Gebiet brachte er keine Neuerungen: "Etwa die nordafrikanische Küste findet sich auf zeitgenössischen Seekarten viel genauer", so Günther Görz.

Martin Behaim war auch nicht der geniale Visionär, der die Kugelgestalt der Erde antizipierte. Schon vorher war in gebildeten Kreisen bekannt, dass die Erde kugelförmig ist. Die Bezeichnung "Erdapfel" kommt nicht von ungefähr: Auch der Reichsapfel, Zeichen weltlicher Macht, ist ein Symbol für die Weltkugel.
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Der Behaim-Globus
Der "Erdapfel" des Martin Behaim ist der älteste erhaltene Globus. Er entstand kurz nach der Entdeckung Amerikas, deshalb ist er die letzte Weltkarte ohne den neuen Kontinent. Der Durchmesser des Globus beträgt 507 mm, der Umfang 1.595 mm, der Maßstab ist 1 : 25,200.000. Das Innere besteht aus Pappe und einer Gipskruste, über die ein Pergament gespannt ist. Neben Karten finden sich auf dem Globus über 11.000 Namen und zahlreiche Illustrationen. Seit 1937 wird der Behaim-Globus im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt, ist aber nicht ausgestellt, weil er für das normale Tageslicht zu empfindlich ist.
->   Germanisches Nationalmuseum Nürnberg
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Kein genialer Kartograph, aber vielseitiger Geschäftsmann
Behaim war also weder ein genialer Kartograph, noch ein begnadeter Nautiker und schon gar kein Entdecker. Die Überhöhung, die ihm heute zuteil wird, hat keine Grundlage. Doch Behaim mangelte es nicht an Abenteuerlust, und als Geschäftsmann war er sicherlich einer der vielseitigsten seiner Zeit.

"Dass er diese Vielzahl an Berufsrollen einnimmt, außerhalb des normalen Wirkungskreises eines Tuchhandelskaufmanns dieser Zeit, das zeichnet ihn aus", so Reinhard Jakob, Historiker aus München, gegenüber den Ö1 Dimensionen.

Der Globus des Martin Behaim ist ein wichtiges historisches Dokument. Doch das mythische Beiwerk, das Behaim umgibt, ist das Produkt des romantischen Nationalstolzes der Deutschen im 19. Jahrhundert.

[science.ORF.at, 27.7.07]
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Die Ö1 Dimensionen widmeten Martin Behaim zu seinem 500. Todestag am 26.7. eine Sendung:
->   Die letzte Welt ohne Amerika (oe1.ORF.at)
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->   Martin Behaim Gymnasium Nürnberg
->   Digitalisierung des Behaim-Globus (TU Wien)
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Rätsel um Kolumbus-Grabstätte erst teilweise gelöst (2.8.06)
->   Erste Weltkarte mit Nennung Amerikas versteigert (7.6.05)
->   Mittelalterliche Weltkarten: Realer und virtueller Raum (28.3.03)
 
 
 
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01.01.2010