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Angkor: Mit 1.000 km2 größte vorindustrielle Stadt  
  Dass die Gegend um die Tempelanlagen von Angkor Wat in Kambodscha die größte vorindustrielle Siedlung der Welt gewesen ist, war schon bisher bekannt. Australische Wissenschaftler haben nun ihr genaues Ausmaß errechnet und die bisher exakteste Landkarte erstellt. Ihnen zufolge war Angkor von einem komplexen Bewässerungssystem geprägt und ging an Umweltproblemen zugrunde, die an heutige erinnern.  
Damian Evans und seine Kollegen von der Universität Sydney verbanden traditionelle Methoden der archäologischen Kartierung wie Bodenuntersuchungen mit dem Einsatz von fortschrittlicher Radartechnik in der Fernerkundung.

Die fast 3.000 Quadratkilometer des Großraums Angkor konnten so kartographisch erfasst werden. 1.000 Quadratkilometer davon waren laut den Forschern urban besiedelt. Zum Vergleich: Die zweitgrößte präindustrielle Stadt, die Maya-Stadt Tikal, war laut den Forschern rund 150 Quadratkilometer groß.
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Die Studie "A new archaeological map of the world¿s largest preindustrial settlement complex at Angkor, Cambodia" von Damian Evans et al. erscheint zwischen 13. und 17.8.07 online in "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas. 0701121104).
->   Studie (sobald online)
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Mittelalterliches Großreich in Südostasien
Angkor war zwischen dem 9. und 16. Jahrhundert das magisch-religiöse Zentrum eines mächtigen Khmer-Reiches, das Südostasien dominierte. Es erstreckte sich weit ins heutige Thailand, nach Vietnam und Laos.

Die eindrucksvollen Ruinen von Angkor Wat bringen jedes Jahr zahlreiche Touristen in die Provinz Siem Reap, 240 km nordwestlich der Hauptstadt Phnom Penh.

Die Anlagen, die im 12. Jahrhundert vermutlich unter der Herrschaft von König Suryavarman II. erbaut wurden, gelten als größtes religiöses Bauwerk der Erde und als einzigartiges Zeugnis der Khmer-Kultur. Die UNESCO hat die Ruinen 1992 zum Weltkulturerbe erklärt.

Angkor (Wikipedia)
Komplexe Infrastruktur
 
Bild: PNAS

Multifunktionales Verkehrsnetz: Straßen und Kanäle verliefen aus ökonomischen Gründen parallel.

Seit rund 150 Jahren beschäftigen sich westliche Forscher mit der kambodschanischen Tempelstadt aus dem Mittelalter. In den 1950er Jahren begann sich ein französischer Forscher ernsthaft für die Überreste des Wasserleitungssystems zu interessieren, das bereits dreißig Jahre zuvor teilweise kartiert worden war. Er vermutete, es habe der Bewässerung gedient, um konstante landwirtschaftliche Erträge zu gewährleisten.

Immerhin waren in Angkor mit seinen Vorstädten über eine Million Menschen zu versorgen. So erscheint der Schluss plausibel, dass der Zusammenbruch des gewaltigen Bewässerungssystems wesentlich zum Untergang von Angkor beigetragen hat.
Sauberes Trinkwasser auch während des Monsuns
Die detaillierten Daten des laufenden Forschungsprojektes bestätigen diese Annahme. Ein multifunktionales Infrastrukturnetz durchzog das locker bebaute Siedlungsgebiet mit einer Größe von 1.000 Quadratkilometern: Die Uferbefestigungen der Kanäle dienten zugleich als Straßen.

Das System der Wasserversorgung habe den Bewohnern von Angkor Wat auch in Zeiten des Monsuns und seiner häufigen Überschwemmungen sauberes Trinkwasser zugeführt, führten die Forscher weiter aus.
Gescheitert an der Unüberschaubarkeit
Die Wissenschaftler nehmen an, dass die massiven Eingriffe in die Landschaft schließlich zum Zusammenbruch des Systems und zum Niedergang der Stadtkultur geführt haben. Eine zerstörerische Kettenreaktion wurde vermutlich in Gang gesetzt: Immer größere Rodungen, um die wachsende Bevölkerung zu ernähren, führten zu Bodenerosion und diese zu Überschwemmungen.

Das ursprünglich regulierende Wassermanagementsystem war damit irgendwann überfordert. Die Forscher fanden Hinweise auf Fehlfunktionen und "Notreparaturen" des Bewässerungssystems und arbeiten zurzeit daran, diese Ereignisse zu datieren.

Im zwölften Jahrhundert begannen außerdem von den Khmer unterdrückte Völker aufzubegehren und verwickelten das Reich bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts immer wieder in Kriege. Die Hauptstadt wurde schließlich nach Phnom Penh verlegt, was das endgültige Aus für die Hochkultur in Angkor bedeutete.
Tempel und Seen entdeckt
 
Bild: PNAS

Klassischer "Dorftempel": Angkor Wat im Miniaturformat. Ein Wassergraben umschließt die Tempelanlage.

Eine neue Radartechnik machte diese Erkenntnisse möglich, weil man damit durch die Wolken "sehen" kann, die ständig über dem Landstrich hängen. Die Auflösung der Geräte ist so hoch, dass viele bisher unbemerkt gebliebene Überreste des mittelalterlichen Angkor entdeckt wurden.

Außer dem Netz von Wasserleitungen entdeckten die Archäologen Spuren von mehr als 1.000 künstlich angelegten kleinen Seen und wenigstens 74 zuvor übersehenen Tempeln.

[science.ORF.at, 14.8.07]
->   Greater Angkor Project (GAP)
 
 
 
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01.01.2010