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Neuer Rekord: Riesenmolekül mit Welleneigenschaften  
  Im Prinzip sollte der berühmte Welle-Teilchen-Dualismus nicht nur bei Elektronen und Photonen, sondern auch bei viel größeren Teilchen nachweisbar sein. Dazu bedarf es jedoch gefinkelter Messmethoden. Wiener Forscher haben nun eine neue Methode vorgestellt, mit der man die seltsamen Effekte aus der Welt der Quanten auch im Großen betrachten kann.  
Auf diese Weise wiesen die Physiker um Markus Arndt von der Uni Wien den Wellencharakter an einem vergleichsweise riesigen Molekül nach - bislang das größte, bei dem dieses Kunststück gelang.
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"A Kapitza-Dirac-Talbot-Lau interferometer for highly polarizable molecules" von Stefan Gerlich et al. wurde auf der Website von "Nature Physics" veröffentlicht (doi:10.1038/nphys701).
->   Abstract
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Das Doppelspalt-Experiment
Paradebeispiel für die Teilchen-Welle-Dualität - ein quantenphysikalisches Phänomen - ist Licht. Die Lichtteilchen (Photonen) verhalten sich einerseits so, als wären sie masselose Partikel, die mit knapp 300.000 Kilometer pro Sekunde durch das Vakuum rasen. Andererseits haben sie auch Wellencharakter. Wie Wellen auf einer Wasseroberfläche können einander Lichtwellen entweder verstärken oder auslöschen.

Ein seit dem 18. Jahrhundert bekannter und sehr einfacher Versuch zum Nachweis der Welleneigenschaft des Lichts ist das sogenannte Doppelspaltexperiment. Schickt man Licht durch zwei sehr enge und knapp neben einander liegende Spalten, so entstehen auf einem Schirm hinter den Spalten sogenannte Beugungsmuster, also helle und dunkle Bereiche.

In den hellen Arealen verstärken die Lichtwellen einander, in den dunklen löschen sie sich aus. Die Forscher sprechen dabei auch von Interferenz, das Gerät ist entsprechend ein Interferometer.
Nachweis an Fullerenen
Erst seit wenigen Jahren gelingt es Wissenschaftlern auch mit größeren und massiven Teilchen den Wellencharakter experimentell zu zeigen. So erzeugten die Wiener Experimentalphysiker um Anton Zeilinger 1999 erstmals Beugungsmuster auch mit relativ großen Fullerenen. Bis zu 70 Kohlenstoffatome hatten die Moleküle, für die die Forscher bisher den Wellencharakter zeigen konnten.

Dabei wurde ein sehr fein gebündelter Strahl von heißen Fullerenen auf ein Siliziumgitter gerichtet und das entstehende Beugungsbild dahinter mit einem Laserstrahl abgetastet und aufgezeichnet.
Problem: Wechselwirkung mit Materie
Das Problem bei diesen Experimenten war bisher, dass große Moleküle eine große Neigung haben, mit anderer Materie in der Umgebung in Wechselwirkung zu treten. "Damit wird der Nachweis von Quanteneigenschaften sehr erschwert", erklärte Arndt gegenüber der APA.

Um solche Wechselwirkungen auszuschalten, entwickelten Arndt und seine Kollegen Stefan Gerlich und Lucia Hackermüller eine Versuchsanordnung, die jedenfalls teilweise auf Wände aus Materie verzichtet. Stattdessen werden die Spalten, durch welche die Wissenschaftler ihre Materie-Bündel schicken, aus reinem Licht erzeugt.
Weltrekord mit Azobenzol
Die Wiener Physiker haben den neuen Interferometer auch schon in der Praxis getestet und zwar mit einem eigens in Kooperation mit Universität Basel hergestellten Molekül, einem "perfluoralkyl-funktionalisierten Azobenzol". Tatsächlich gelang der Nachweis des Wellencharakters mit den Teilchen, so Arndt.

Bei den Molekülen handelt es sich um die längsten Ketten, für die je die Quanteninterferenz nachgewiesen werden konnte. Zum Vergleich, sie sind etwa viermal länger als ein Fulleren mit 70 Kohlenstoff-Atomen. Die weitere Rekord-Jagd ist damit jedenfalls eröffnet, so der Physiker. Die Leistungsfähigkeit des neuen Apparates lasse nach oben hin noch viel erwarten.

[science.ORF.at/APA, 20.8.07]
->   Quantenphysik an der Uni Wien
->   Doppelspaltexperiment - Wikipedia
->   Welle-Teilchen-Dualismus - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010