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Putzzwang bei Mäusen als Modell für Humanmedizin  
  Ein internationales Forscherteam hat gentechnisch veränderte Mäuse mit einem Putzzwang geschaffen. Die Nager könnten künftig als Modelltier zur Erforschung von Zwangserkrankungen des Menschen dienen, meinen die Wissenschaftler.  
Guoping Feng vom Duke University Medical Center in Durham hofft, mit Hilfe der Mäuse die Entstehung der psychischen Erkrankung besser verstehen und vor allem neue Therapien entwickeln zu können.
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Die Studie "Cortico-striatal synaptic defects and OCDlike behaviours in Sapap3-mutant mice" von Jeffrey M. Welch et al. erscheint am 23.8.07 im Fachjournal "Nature" (Bd. 448, S. 894).
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Putzen bis zur Selbstverstümmelung
Menschen mit einer Zwangsstörung sind von immer wiederkehrenden, zwanghaften Gedanken oder Vorstellungen besessen, wiederholen zwanghaft bestimmte Handlungen oder sind übertrieben ängstlich.

Die Wissenschaftler erzeugten die Zwangsstörung, indem sie im Erbgut der Nager das Gen Sapap3 ausschalteten. Dieses bildet im Gehirn ein Protein, das an der Kommunikation der Nervenzellen beteiligt ist.

Die Tiere mit dem Gendefekt entwickelten dem Bericht zufolge ein Verhalten, das für eine Zwangsstörung (Obsessive Compulsive Disorder, kurz OCD) typisch sei. Sie verhielten sich ängstlicher als normale Mäuse und putzten sich ununterbrochen, selbst dann, wenn sie dadurch ihr Fell verloren und ihre Haut verletzten.
Modell für Störungen bei Menschen
 
Bild: Jing Lu, Jeff Welch and Guoping Feng

Die Störungen ließen sich aber lindern, indem den Mäusen bestimmte Serotonin-Wiederaufnahmehemmer verabreicht wurden, wie sie auch Menschen mit Zwangsstörungen oft verschrieben werden, berichten die Wissenschaftler.

Zudem gingen die Symptome dem Bericht zufolge zurück, wenn das Sapap3-Gen wieder aktiviert wurde (Bild oben). Die Tierversuche könnten laut den Forschern vielleicht dabei helfen, neue Behandlungsmethoden bei Persönlichkeitsstörungen zu entwickeln.

Beim Menschen seien vermutlich mehrere Gene sowie Umwelt- und Entwicklungseinflüsse an der Entstehung von Zwangserkrankungen beteiligt, sagt Steven Hyman von der Harvard Medical School in Cambridge (Massachusetts) in "Nature". Nichtsdestotrotz erlaubten die Modellmäuse wichtige Einblicke in das zelluläre Geschehen bei Zwangsstörungen.
Zwei Prozent der Bevölkerung haben Zwangsstörungen
Etwa zwei Prozent der Bevölkerung leiden unter Zwangsstörungen. Den Betroffenen drängen sich immer wieder quälende Gedanken auf, die sie durch die immer gleichen Handlungen loswerden wollen.

Häufig ist etwa der Waschzwang, bei dem die Patienten sich dauernd waschen, um vermeintliche Bakterien und Verunreinigungen zu entfernen. Die neurologischen Grundlagen der Erkrankung sind bislang wenig erforscht.

[science.ORF.at/APA/dpa, 23.8.07]
->   Nature
->   Duke University Medical Center, Durham, North Carolina, USA
->   Harvard University, School of Medicine, Boston, Massachusetts, USA
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Zwangsstörungen bei Kindern (7.7.01)
->   Sucht: Stiefkind der biologischen Psychiatrie (28.6.05)
 
 
 
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01.01.2010