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"Mandala" vereint Nanotech und Tibet-Mönche  
  Zu einer ungewöhnlichen Kombination von Wissenschaft, Religion und Kunst ist es vor kurzem in Kalifornien gekommen. Nanotechnologen und tibetische Mönche haben gemeinsam buddhistische Gottesbilder untersucht. Die sogenannten Mandalas bestehen aus bunten Sandkörnern und werden in oft wochenlanger, meditativer Arbeit hergestellt.  
Wie der Kunsthistoriker Martin Kemp von der Universität Oxford in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Nature" berichtet, war die Zusammenarbeit für beide Seiten sehr lehrreich.
Strukturen und Muster statt menschliche Figuren
Im Gegensatz zu der religiös inspirierten Kunst des Westens, in der seit der Antike menschliche Figuren Gottheiten repräsentiert haben, wird das Göttliche in anderen Kulturkreisen durch Strukturen oder Muster symbolisiert - speziell in Religionen, in denen es ein Abbildverbot Gottes gibt.

Die Symmetrien islamischer Fliesen, wie sie etwa bei der Alhambra in Granada zu bewundern sind, sind weltbekannt und vereinen ästhetische und mathematische Ansprüche auf höchstem Niveau.
Mandalas - Symbole des Universums
 
Bild: UCLA

Weniger bekannt sind die unterschiedlichen Versionen von Mandalas - kreisförmigen Symbolen des Universums mit feinsten Mustern und Verästelungen, die vor allem im Buddhismus verwendet werden.

Die äußeren Regionen von Mandalas symbolisieren das kosmologische Weltensystem, während die inneren Bereiche den unterschiedlichen Gottheiten gewidmet sind.
Sandgemälde, die sehr vergänglich sind
Eine Besonderheit des tibetischen Buddhismus sind die sogenannten Sandmandalas - temporäre Gemälde, die von Mönchen aus verschiedenfärbigem Sand hergestellt werden.

Die oft mehrwöchige, von mehreren Mönchen geteilte Arbeit, die es für die Herstellung des Gebildes braucht, ist Teil der Meditationsriten.

Das Resultat der mühsamen Arbeit wird dann wieder weggewischt: ein Hinweis auf die Vergänglichkeit des Lebens und darauf, materielle Dinge nicht so wichtig zu nehmen.
Interdisziplinäres Projekt
 
Bild: UCLA

Die indischen Mönche bei der Mandala-Herstellung

Wie Martin Kemp nun berichtet, war eine Gruppe tibetischer Mönche vor kurzem Gast in einem der führenden Laboratorien für Nanotechnologie der USA.

Dabei arbeiteten die Kunstwissenschaftlerin Victoria Vesna und der Biochemiker James Gimzewski, beide von der University of California in Los Angeles (UCLA), mit Mönchen des Klosters im indischen Gaden Lhopa für das Projekt "Nanomandala" zusammen.
Kunstwerk unter dem Mikroskop
Bild: UCLA
Gemeinsam haben sie ein Mandala für die Tantragöttin Chakrasamvara untersucht. Vier Mönche arbeiteten dafür einen Monat lang acht Stunden pro Tag, bis es fertig war und seinen stolzen Durchmesser von zweieinhalb Metern erreichte. Danach untersuchte Gimzewski Teile der Sandstruktur mit optischen und elektronischen Mikroskopen bis auf seine molekularen Bestandteile und bildete sie ab.

Die Mikroskopieaufnahmen wurden dann mit einer Reihe gezoomter Bilder vermengt, um einen kontinuierlichen Bilderstrom vom Gesamtgebilde bis zu seinen Mikrostrukturen zu erreichen. Zur Verarbeitung der entstandenen Datenmenge von rund 900 Gigabyte wurden insgesamt 36 Computer benötigt.

Das Resultat war ein fünfzehnminütiger Film, der auf ein rundes Sandbett projiziert wird. Die Installation war schon bei Ausstellungen zu sehen, Besucher können in den Sand fassen und somit buchstäblich in das Kunstwerk eingreifen (siehe Bild rechts).
Kunsthistoriker ist gerührt
Kemp zeigt sich in seinem Beitrag in "Nature" begeistert: Er hält die "heilige Allianz der buddhistischen spirituellen Geduld, die auf unermüdlicher Wiederholung beruht, und dem unheiligen Prozess der Iteration moderner Computer" für "sehr schön und berührend".

Mandala-Hersteller und Nanowissenschaftler "teilen die Wunder der natürlichen Maßstäbe, die unzähliger Bestandteile bedürfen um ein geordnetes Ganzes zu erzeugen", wie es Kemp poetisch ausdrückt. Religiöse Kontemplation und moderne Technologien würden so beide an die Ecken der Unendlichkeit greifen und so das "ästhetische Reich des Sublimen" erreichen.

Die Kunstinstallation ist laut Kemp derzeit am Maison Europeenne de la Photographie in Paris zu sehen.

[science.ORF.at, 14.9.07]
->   Herstellung eines Mandalas (Film)
->   Projekt "Nanomandala" (UCLA)
->   Homepage Martin Kemp
->   Nature
 
 
 
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01.01.2010