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Nanotechnologie: Revolution oder Risiko?  
  Nanotechnologie gilt als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, man erhofft sich viel für so unterschiedliche Bereiche wie Medikamente oder Kunststoffe. Die Erwartungen sind groß, ebenso die Unsicherheit.  
Könnten die feinen Partikel dem Menschen schaden? Sollten Produkte, in denen Nanotechnologie steckt vorsichtshalber gekennzeichnet werden? Auf EU-Ebene wird über freiwillige Vereinbarungen nachgedacht. Am Dienstag wurde auf Initiative von "Risiko:Dialog" in Wien über Risken und Chancen diskutiert.
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Die Initiative Risiko:dialog
Risiken entstehen und wirken an der Schnittstelle ökologischer, ökonomischer, technologischer, politischer und sozialer Entwicklungen. Sie stehen im Mittelpunkt der Initiative Risiko:dialog von Radio Österreich 1 und Umweltbundesamt. Ziel ist, den offenen Dialog über Risiken mit potenziellen Auswirkungen auf Umwelt, Technologie, Wirtschaft und Gesundheit zu fördern. Die Initiative greift Risikothemen auf und regt die Diskussion unterschiedlicher Sichtweisen, Fragestellungen und Bedürfnisse an.
->   Risiko:dialog
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Haarige Angelegenheit
Kleine Welt, große Erwartungen. Mithilfe von Nanotechnologie will man beispielsweise Medikamente gezielt zum erkrankten Organ schleusen; Stoffe schmutzabweisend machen; Lackierungen kratzfest. "Was ist eigentlich 'Nano'?" fragt Karl Kienzl vom Umweltbundesamt in Wien.

"Ein Haar hat einen Durchmesser von 80.000 Nanometern. Wenn wir Haarspaltereien betreiben würden, dann müsste man das Haar 8.000 bis 80.000mal teilen, dann wären wir im Nanobereich."
Nano-Medikamente selten im Einsatz
Die Nanotechnologie bezeichnet heute nicht eine Technologie, sondern wird in unterschiedlichen Bereichen erforscht - von Medizin bis Materialien. Nano ist derzeit in gewisser Weise ein Trendwort, tatsächlich kommen wir im Alltag noch selten mit echter Nanotechnologie in Berührung, sagt der Chemiker Frank Sinner von der BioNanoNet Forschungsgesellschaft in Graz auf Radio Österreich 1.

Neuartige Medikamente gebe es zwar, die würden aber selten verschrieben: "Wir haben im Nanomedizin-Sektor nur die erste Generation am Markt - Nanopartikel, die noch nicht zielgerichtet zum erkrankten Gewebe finden. Daher haben die Medikamente nur gewisse Vorteile gegenüber herkömmlichen Medikamenten".
Nano-Partikel: Großes Fragezeichen
Die Erwartungen in die kleine Nano-Welt sind groß, die Unsicherheiten aber auch: Die winzigen Teilchen könnten Nachteile haben, bloß weiß man das noch nicht.

"Das Problem dabei ist, dass sich je nach Material, Struktur, Größenverteilung, Gestalt, Abbaueigenschaften, etc. das toxikologische Potenzial von Nanopartikel zu Nanopartikel verändert."

Zumindest für Titanoxid-Partikel, die schon heute in der Sonnencreme vor UV-Licht schützen, könne man Gesundheitsrisiken ausschließen, sagt Armin Grunwald vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse in Karlsruhe, das Nano-Titanoxid könne nicht durch die gesunde Haut (Anm. unverletzte Haut) in den Körper dringen.
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Forschungs-Meta-Projekt NANO TRUST
In Österreich startet nun im Auftrag des Verkehrs- und Technologieministeriums das Projekt NANO TRUST; dazu tragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Technikfolgenabschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften derzeit Wissen rund um Chancen und Risken zusammen.
->   Nano Trust (BMVIT)
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Gefahr unbekannt, Gefahr nicht gebannt?
Auch wenn - und gerade weil - noch viel im Labor steckt und die Erwartungen von Wissenschaft wie Wirtschaft groß sind, müsse man sich über mögliche Risken Gedanken machen, so der Tenor bei der Podiumsdiskussion der Initiative Risiko:dialog.

Zur Einschätzung des Risikos für Mensch und Umwelt durch die winzigen Nano-Partikel, die zum Beispiel bei der Produktion von Beschichtungen entstehen oder in der Sonnencreme stecken oder die durch Reifenabrieb in der Luft schwirren, für diese winzigen Teilchen fehlen Mess-Methoden, sagt Karl Kienzl vom Umweltbundesamt im Ö1 Mittagsjournal:

"Es gibt keine Einrichtungen, wie man das in der Luft sammeln und abzählen könnte. Oder um bei Lebensmitteln festzustellen, ob Nanopartikel enthalten sind oder nicht. Es fehlt an grundlegenden Dingen, um Wasser, Boden, Klärschlamm etc. zu analysieren."
Erinnerungen an Asbest-Risiko
"Wenn wir so wenig wissen, müssen wir trotzdem etwas tun. Wir haben in der Geschichte gelegentlich die Situation gehabt, dass man gesagt hat: Wir wissen noch nicht genug und können nichts tun. Als man endlich genug wusste, war es zu spät," so der deutsche Technikphilosoph und Technikfolgen-Experte Armin Grunwald.

Er erinnert an die Folgen von Asbest. Laut Grunwald tragen heute in manchen Betrieben, die mit Nanotechnologie hantieren, die Mitarbeiter vorsichtshalber Hochsicherheitsanzüge.
Regulieren oder zumindest kennzeichnen?
Weder in Österreich noch weltweit gibt es Sicherheitsvorschriften, aber beispielsweise die Idee der Kennzeichnung von Produkten. Die EU denkt zudem über freiwillige Vereinbarungen nach - doch unklar ist, welche Bereiche eingeschlossen werden sollen, welche Arten von Nano-Teilchen.


Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 26.9.07
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Mehr über den Risiko:dialog Nanotechnologie können Sie am Freitag, 28.9.2007, in der Ö1-Radiosendung "Dimensionen" ab 19:05 Uhr hören.
->   Radio Österreich 1
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->   Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA)
 
 
 
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01.01.2010