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Muttersprache prägt das Hören  
  Dass Japaner nicht zwischen "R" und "L" unterscheiden können, ist zumindest aus Witzen bekannt. Weniger bekannt ist: Dahinter steckt ein allgemeingültiges Prinzip. Wer eine Sprache nicht sprechen kann, hört sie auch nicht richtig. Forscher haben nun herausgefunden, dass das bereits für Kleinkinder gilt, lange bevor sie sprechen.  
Kinder haben demnach schon im Alter von 18 Monaten begriffen, welche Laute ihrer Sprache Bedeutung vermitteln. Klänge, die keine Rolle spielen, ignorieren sie. Das berichten Forscher rund um Christiane Dietrich vom holländischen Max-Planck-Institut für Psycholinguistik.
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Ch. Dietrich, D.Swingley & J.Werker: "Native language governs interpretation of salient speech sound differences at 18 months" erscheint zwischen 1. und 5. Oktober in den PNAS (DOI: 10.1073/pnas.0705270104).
->   Studie (sobald online)
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Grundlage des Sprachverstehens
Aus früheren Studien weiß man, dass Babys zum Zeitpunkt der Geburt alle möglichen akustischen Variationen unterscheiden können, von der Tonhöhe über die Klangfarbe bis zur Vokaldauer. Im Laufe der Zeit engt sich diese "universelle" Fähigkeit ein auf jene Muster, die für die eigene Muttersprache wichtig sind.

Laut den Forschern ging man früher davon aus, dass dieser Wechsel nach den ersten gesprochenen Worten stattfindet. Dietrich und ihre Kollegen wollten nun zeigen, dass die Kinder schon sehr früh und durch bloßes Zuhören lernen, wie das Sprechen in ihrer Sprache funktioniert. Dies bilde die Grundlage zum Erlernen von Wörtern und Grammatik.
Sprachliches Vorwissen entscheidend
Um ihre Hypothese zu überprüfen, führten die Wissenschaftler Vergleichsexperimente mit englischen und holländischen Kleinkindern durch. Als Variable wählten sie die Dauer von Vokalen, die im Englischen höchstens die Betonung, aber nicht die Bedeutung verändert - "Kitty" und "kiiitty" etwa ist ein- und dieselbe Katze. Im Holländischen jedoch zeigt die Dauer sehr wohl einen Bedeutungsunterschied an.

Im Rahmen des Experiments wurden den Kindern jeweils zwei Spielzeuge gezeigt, eines davon bezeichneten die Forscher mit dem Kunstwort "tam", das andere mit "taam". Die holländischen Kinder maßen dem Unterschied eine Bedeutung zu und lernten, welches Wort zu welchem Spielzeug gehörte.
Verstehen des eigenen Lautinventars
Die englischen Kinder hingegen ignorierten die Variation. Der Grund dafür: Da sie ihre bisherigen Erfahrungen mit der eigenen Sprache verallgemeinerten, hatte die Dauer eines Vokals schlichtweg nichts mit Bedeutung zu tun.

Die Resultate zeigen laut den Forschern, dass bereits 18 Monate alte Kinder ein rudimentäres Verständnis des speziellen Lautinventars ihrer Muttersprache besitzen. Man hört gewissermaßen nur, was man auch weiß.

[science.ORF.at, 2.10.07]
->   Max-Planck-Institut für Psycholinguistik
->   University of Pennsylvania
->   University of British Columbia
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01.01.2010