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Palmfarne: Trickreicher Sex lebender Fossilien  
  Australische Palmfarne führen ihre Symbiosepartner im wahrsten Sinne an der Nase herum: Vormittags locken sie Insekten an, um die Mittagszeit vertreiben sie diese wieder, danach ist wieder Locken angesagt.  
Mit dieser Strategie stellen die lebenden Fossilien ihre Fortpflanzung sicher, berichten Forscher um Irene Terry von der University of Utah, Salt Lake City. Bemerkenswert dabei: Zuckerbrot und Peitsche sind in diesem Fall ein und dieselbe Substanz.
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"Odor-Mediated Push-Pull Pollination in Cycads" von Irene Terry et al. ist in "Science" erschienen Bd. 318, S. 70; doi: 10.1126/science.1145147).
->   Abstract
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Großmeister der Täuschung
Sexualität ist eine feine Sache. Auch biologisch betrachtet: Sie erhöht die genetische Vielfalt, macht anpassungsfähig gegenüber Veränderungen der Umwelt und sorgt für einen evolutionären Vorsprung im Wettrennen mit lästigen Parasiten.

Für Tiere ist die Partnersuche in der Regel keine große Hürde, sie gehen einfach dorthin, wo sich das andere Geschlecht aufhält. Das können die sesshaften Pflanzen nicht, deswegen müssen sie die Sache zum Teil an andere delegieren.

Die hierfür entwickelten Strategien sind höchst unterschiedlich, sehr elegant lösen manche Orchideen das Problem. Die Fliegen-Ragwurz etwa täuscht ihre Bestäuber, Grabwespen, gleich zweifach: Erstens lockt sie männliche Insekten durch ein pflanzliches Parfum an, das ganz nach Wespenweibchen riecht, zweitens imitieren ihre Kronblätter auch den Körperbau der Insektenweibchen, inklusive Körperbehaarung.

Die Männchen jedenfalls fallen darauf herein, beginnen freudig zu kopulieren, streifen dabei Pollen an den weiblichen Pflanzenteilen ab - und fertig ist die Bestäubung.
Thripse als Symbiosepartner
Derlei ausgeklügelte Täuschungsmanöver sind allerdings nur dann möglich, wenn man das entsprechende Blütenmaterial zur Mimikry zur Verfügung hat. Das ist bei Palmfarnen nicht der Fall: Sie besitzen holzige, zapfenförmige Blütenstände, die jenen von Nadelhölzern ähneln.

Bisher dachte man, dass Palmfarnen auf zwei Arten bestäubt werden. Erstens durch die Gießkannenmethode, den Wind, und zweitens etwas gezielter, mit Hilfe von Käfern.

Die US-Botanikerin Irene Terry fand vor einigen Jahren heraus, dass es auch Ausnahmen von dieser Regel gibt. Palmfarne der Gattung Macrozamia kooperieren nicht mit Käfern, sondern mit kleinen, unscheinbaren Insekten, sogenannten Thripsen:

Sie sind an sich nur an den männlichen Blütenständen interessiert (dort gibt es eiweißreichen Pollen), können allerdings die Zapfen der beiden Geschlechter nicht wirklich unterscheiden. Daher klettern sie mitunter auch in weibliche Blütenstände und hinterlassen dort Pollen, der an ihrem Körper haften geblieben ist.
Vertreiben, Locken, Täuschen
Irene Terry hat nun nachgesehen, wie die Bestäubung im Detail vor sich geht und einige kuriose Dinge entdeckt. Viele Palmfarne können ihren Pollen nur an wenigen Tagen im Jahr abgeben, daher ist es ratsam, den Thripsen bei ihrem symbiontischen Hilfsdienst ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

Die australische Art Macrozamia lucida etwa tut das durch eine Dreischrittstrategie: "Die meisten Leute glauben, dass Pflanzen einfach dasitzen, hübsch aussehen und ein paar Lockstoffe aussenden, damit die Bestäuber zu ihnen kommen. Aber diese Palmfarnart hat ein besonderes 'Sexualverhalten' entwickelt, das Thripse zuerst vertreibt, dann anlockt und schließlich irreführt", sagt Terry.
Hitze macht müde Thripse munter
 
Bild: Irene Terry

Die push pull pollination, wie die Botaniker diese Strategie nennen, geht folgendermaßen vor sich: Zunächst erhöhen männliche Pflanzen die Temperatur im Inneren der Zapfen auf rund 38 Grad, was die Produktion einer Substanz namens Beta-Myrcen stark ankurbelt.

Exakt vier Stunden, von 11 Uhr Vormittags bis drei Uhr Nachmittags, hält der Palmfarn die Temperatur aufrecht, woraufhin die Beta-Myrcen-Konzentration im Inneren der Zapfen bis zur Toxizitätsgrenze steigt. Das Ergebnis: Die Thripse flüchten (Bild oben).

Terry beschriebt den Duft von Beta-Myrcen so: "Es raubt dir den Atem. Es riecht herb und unbändig. Mit nichts zu vergleichen, was man sonst jemals gerochen hat." Ihr Kollege Robert Roemer, der ebenfalls an der Studie beteiligt war, konkretisiert: "Denken sie an einen Typen, der zuviel Aftershave drauf hat."

Für Thripse indes ist die Duftbombe ein Lockstoff. Daher kehren die Tiere sofort in die männlichen Zapfen zurück, sobald die Konzentration wieder unterhalb die schädliche Grenze abgesunken ist.

Einige von ihnen spazieren in die - ebenfalls anziehend duftenden - weiblichen Zapfen, in denen statt einer Mahlzeit Bestäubungsarbeit auf sie wartet. So wird offenbar sicher gestellt, dass die Thripse für Kost und Logis auch eine Gegenleistung erbringen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 8.10.07
->   Irene Terry - University of Utah
->   Palmfarne - Wikipedia
->   Thripse - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010