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Medizinnobelpreis 2007 für Stammzellforscher  
  Der Medizinnobelpreis 2007 geht an die beiden Amerikaner Mario Capecchi und Oliver Smithies sowie an den Briten Martin Evans für ihre Arbeiten auf dem Gebiet von Stammzellen.  
Bild: University of North Carolina
Oliver Smithies
Sie erhalten die Auszeichnung für ihre Technik, in Versuchsmäusen gezielt Gene auszuschalten ("Knock-Out-Mäuse"), um deren Funktion zu untersuchen, gab die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm am Montag bekannt.

Die Auszeichnung ist wie im Vorjahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 1,1 Mio. Euro) dotiert und wird im Dezember überreicht.
Austausch von Genen
Bild: EPA
Mario Capecchi
Mario Capecchi und Oliver Smithies entwickelten unabhängig von einander das Prinzip der "homologen Rekombination" bei Säugetieren, das schon vorher bei Bakterien und Hefe entdeckt worden war.

Das Grundprinzip: Es kommt zu einem Austausch von genetischer Erbinformation zwischen Chromosomenpaaren. Dem Nobelpreisträger des Jahres 2004, Richard Axel, war es gelungen, mit Hilfe eines Herpes-Virus ein Gen Säugetierzellen einzuschleusen, um dort defektes Erbgut zu reparieren. Capecchi wollte diese Technik verbessern.

Er injizierte DNA mit einer Glaspipette direkt in den Zellkern von Säugetierzellen. Damit konnte der Gen-Transfer auch bei Mäusen effizienter gemacht werden, doch die Einfügung des Erbmaterials geschah an zufälliger Stelle.
Gezielte Manipulation des Erbmaterials
Bild: Cardiff University
Sir Martin Evans
Der aus Italien stammende Wissenschafter aber konnte zeigen, dass das injizierte Erbmaterial an einigen Stellen in die DNA-Stränge integriert worden war. Es entstanden "Concatemere". Die Säugetierzellen mussten also über einen Mechanismus verfügen, der eine Rekombination zwischen neu injizierter und bereits gleicher vorhandener DNA erlaubte.

Der Wissenschaftler wies nach, dass das in Säugetierzellen relativ häufig erfolgt. Capecchi wollte dies für das gezielte Einschleusen von Erbsubstanz in Zellen verwenden.

Smithies versuchte zunächst mit Hilfe der homologen Rekombination in embryonalen Stammzellen defekte Gene zu reparieren. Er tat das durch das Einfügen von Plasmiden, ringförmiger Erbsubstanz, und schloss daraus ebenfalls, dass man auf diesem Weg die Erbanlagen von Säugetieren in jeweils gewünschter Form verändern könne.
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Die drei Preisträger
Mario Capecchi wurde 1937 in Italien geboren, ist US-Bürger und arbeitet am Howard Hughes Medical Institute an der University of Utah in Salt Lake City. Sir Martin Evans wurde 1941 in Großbritannien geboren, ist Direktor der School of Biosciences an der Cardiff University und wurde 2001 von der Queen geadelt. Oliver Smithies wurde 1925 ebenfalls in Großbritannien geboren, ist heute aber US-Staatsbürger und Professor an der University of North Carolina in Chapel Hill.
->   Begründung des Nobelpreis-Komitees
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Entscheidende embryonale Stammzellen
Im Endeffekt aber waren diese Erkenntnisse auf die Forschungen von Sir Martin Evans für die Weiterentwicklung angewiesen. Erwin Wagner vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien: "Evans gelang es erstmals embryonale Stammzellen von Mäusen zu züchten, die nicht mehr zur Entstehung von Tumoren beitrugen."

Es handelte sich um embryonale Karzinomzellen. Bis dahin waren die Stammzellen von Mäusen nämlich von Hoden-Karzinomen der Tiere abgeleitet worden - mit entsprechenden Konsequenzen für die chimären Mäuse, die man damit gezüchtet hatte.

Evans und ein Kollege identifizierten die eigentlichen Oberflächen-Merkmale von embryonalen Karzinom- und von normalen Zellen und konnten schließlich im Labor schließlich Zellen züchten, welche zwar die Merkmale der embryonalen Karzinomzellen aufwiesen, aber keine Tumoren erzeugten.

Das Nobelpreiskomitee am Montag: "Das waren die embryonalen Stammzellen, die für die Technik des zielgerichteten Ausschaltens von Genen entscheidend war."
Methoden-Kombination führte zu Knock-Out-Mäusen
Die Kombination der beiden von den drei Wissenschaftlern entdeckten Methoden führte im Endeffekt zur Etablierung jenes Verfahrens, mit der sich beliebige Erbanlagen bei Versuchsmäusen verändern oder ganz ausschalten lassen ("Knock-Out"-Mäuse).

Für die Untersuchung der Funktion von Genen muss nach dem Unterschied zwischen intaktem und defektem Gen gesucht werden. Dazu wird eine defekte Version des stumm zu schaltenden Gens in eine Zelle eingefügt.

In einigen Fällen ersetzen natürliche Mechanismen der Zelle daraufhin das intakte, natürliche Gen durch die künstlich eingeführte, defekte Version ("homologe Rekombination"). Solche Zellen werden nach einem Test isoliert.
Gezielte Genveränderung
Mit den von Martin Evans geschaffenen embryonalen Stammzellen der Maus ließen sich diese gezielten Genveränderungen in die Erbsubstanz von Mäusen einbringen und von ihnen Nachkommenschaft mit der gewünschten Erbinformation schaffen.

Die mit homologer Rekombination veränderten Stammzellen werden in einen erst wenige Zellen großen, sehr frühen Embryo (Blastozyste) gespritzt und tragen im Laufe der Entwicklung zum erwachsenen Organismus bei - auch zur Bildung der Geschlechtsorgane.

Eizellen und Spermien der geschlechtsreifen Mäuse tragen in günstigen Fällen das ausgeschaltete Gen. Einige Nachkommen dieser Mäuseeltern besitzen daraufhin keine intakte Version des Gens und die Folgen werden sofort sichtbar.
2006: Preis für RNA-Interferenz
Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an die beiden US-RNA-Forscher Andrew Z. Fire und Craig C. Mello. Das Nobelpreiskomitee begründete seine Entscheidung damit, dass die Wissenschaftler bei ihren Arbeiten entdeckt hätten, wie doppelsträngiges RNA-Erbgut über einen mittlerweile RNA-Interferenz (RNAi) genannten Prozess gezielt die Aktivität von Genen unterdrücken kann.

[science.ORF.at/APA, 8.10.07]
->   Mario Capecchi (University of Utah)
->   Oliver Smithies (University of North Carolina)
->   Sir Martin Evans (Cardiff University)
Die Preisträger der vergangenen Jahre:
->   Medizin-Nobelpreis 2006 für Entdeckung der RNA-Interferenz
->   Medizinnobelpreis 2005 für Entdeckung von Magenkeim
->   Medizinnobelpreis 2004 für Studien zum Geruchssystem
->   Medizinnobelpreis 2003 für Magnetresonanz-Abbildung
 
 
 
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01.01.2010