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Chemienobelpreis 2007 an Deutschen Gerhard Ertl  
  Der Nobelpreis für Chemie geht in diesem Jahr an den deutschen Forscher Gerhard Ertl aus Berlin. Er bekommt die Auszeichnung für die genaue Untersuchung chemischer Reaktionen, wie sie auch im Autokatalysator ablaufen.  
Die Auszeichnung ist mit zehn Millionen schwedischen Kronen (1,1 Mio. Euro) dotiert. Sie wird am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Stockholm überreicht.

Ertl war unter anderem Direktor für Physikalische Chemie am Fritz-Haber-Institut in Berlin. Seine Kür zum Nobelpreisträger erfolgte genau an seinem 71. Geburtstag. Am Dienstag hatte bereits der Deutsche Peter Grünberg zusammen mit einem französischen Forscher den Nobelpreis für Physik erhalten.
"Grundlagen der Oberflächenchemie geschaffen"

Gerhard Ertl
Ertl war es in den 1970er und 1980er Jahren gelungen, den Ablauf mehrerer wichtiger chemischer Reaktionen auf Oberflächen im Detail zu beschreiben. Damit schuf er die Grundlage für die moderne Oberflächenchemie.

Diese Wissenschaft sei wichtig für die chemische Industrie und helfe beim Verständnis so unterschiedlicher Vorgänge wie dem Rosten von Eisen, dem Funktionieren von Brennstoffzellen und der Wirkung eines Katalysators im Auto, begründete das Nobelpreiskomitee die Auszeichnung Ertls.

Dementsprechend häufig sind Anwendungen der Oberflächenchemie, beispielsweise bei Katalysatoren in vielen industriellen Verfahren, etwa bei der Herstellung von Kunstdünger und in der Halbleiterindustrie. Mit der Oberflächenchemie lasse sich sogar der Abbau der Ozonschicht erklären, da entscheidende Schritte in der Reaktion auf der Oberfläche kleiner Eiskristalle in der Stratosphäre erfolgen.
Wichtige Methoden entwickelt
Die moderne Oberflächenchemie begann sich in den 1960er Jahren insbesondere dank der in der Halbleiterindustrie entwickelten Techniken als Wissenschaft herauszubilden. "Gerhard Ertl war einer der Ersten, die das Potenzial dieser neuen Techniken erkannten", heißt es seitens des Nobelpreiskomitees.

Er habe schrittweise eine Methodik für die Oberflächenchemie entwickelt, indem er aufzeigte, wie verschiedene experimentelle Techniken verwendet werden können, um ein vollständiges Bild einer Oberflächenreaktion zu erhalten. Erforderlich dafür ist eine ausgereifte technische Ausstattung für Hochvakuum, um zu beobachten, wie sich einzelne Schichten von Atomen und Molekülen auf einer extrem reinen Oberfläche beispielsweise aus Metall verhalten.

Jede Verunreinigung kann dabei die gesamte Messung zerstören. Ertls Methodik findet laut Nobelkomitee Anwendung sowohl in der akademischen Forschung wie auch in der Entwicklung von Verfahren in der chemischen Industrie.
Auf den Spuren von Fritz Haber
In der Anfangszeit seiner Karriere interessierte sich Ertl für das Verhalten von Wasserstoff auf verschiedenen Metallen, wandte sich dann aber dem Haber-Bosch-Verfahren zu, das zur Herstellung von Kunstdünger über die Entnahme von Luftstickstoff verwendet wird.

1918 erhielt der Deutsche Fritz Haber - übrigens Namensgeber jenes Instituts, an dem Ertl arbeitet - für die Ammoniaksynthese den Chemienobelpreis. Ertl konnte rund 80 Jahre später zeigen, wie der für die Reaktion notwendige Katalysator auf molekularer Ebene funktioniert.
Auszeichnungen als Nobelpreis-Indikatoren
Ertl, seit 2001 korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, wurde - so wie die beiden diesjährigen Physik-Nobelpreisträger Peter Grünberg und Albert Fert - mit dem renommierten israelischen Wolf Prize sowie dem ebenso anerkannten Japan-Preis ausgezeichnet, die sich damit einmal mehr als zuverlässige Nobelpreis-Indikatoren erwiesen. Den Wolf-Preis erhielt Ertl 1998, den Japan-Preis 1992.

Ertl sagte der Nachrichtenagentur AP in Berlin, er sei sprachlos. Er habe mit dieser Ehrung nicht gerechnet. Zwar sei ihm bewusst gewesen, dass er zu den Kandidaten gehört habe, erklärte der Chemiker. Trotzdem habe es ihm die Sprache verschlagen, als er erfahren habe, dass er den Preis gewonnen habe.

Immerhin habe er vom Preiskomitee 20 Minuten Zeit bekommen, sich zu sammeln und sich auf den Presseansturm einzustellen. Jetzt klingle das Telefon ohne Unterlass. Alle seine Mitarbeiter hätten sich auf dem Gang vor seinem Büro versammelt, um mit ihm mit Sekt auf den Nobelpreis anzustoßen.
2006: Biochemie des Zellkerns ausgezeichnet
Im Vorjahr ging der Chemie-Nobelpreis an den US-Forscher Roger D. Kornberg von der Stanford University für seine Studien zu den molekularen Grundlagen eines der grundlegenden Mechanismen in den Zellkernen aller höheren Lebewesen, der sogenannten "eukaryotischen Transkription". Dabei handelt es sich um die Übersetzung der genetischen Information in Proteine.

[science.ORF.at/APA/dpa, 10.10.07]
->   The Nobel Foundation
->   Gerhard Ertl - Fritz-Haber-Institut
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Medizinnobelpreis 2007 für Stammzellforscher
->   Physiknobelpreis 2007 für Quanteneffekt bei Festplattentechnik
 
 
 
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01.01.2010