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Kontinentaldrift: Warum Indien so schnell ist  
  Wäre die Kontinentaldrift ein Wettrennen, gäbe es einen klaren Sieger: Die indische Platte hat sich in den letzten 140 Millionen Jahren viel schneller als die anderen Kontinente bewegt. Geologen haben nun die Erklärung dafür: Heiße Magmaströme aus den Tiefen der Erde dürften für die Ausnahmestellung des Subkontinents verantwortlich sein.  
Sie trennten Indien von seinem ehemaligen Mutterkontinent und beschleunigten es, schreibt ein Team um Rainer Kind vom Geoforschungszentrum Potsdam in einer neuen Studie.
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"The rapid drift of the Indian tectonic plate" von Prakash Kumar et al. ist in "Nature" (Bd. 449, S. 894; doi:10.1038/nature06214) erschienen.
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Groß, aber jung
"Das Dach der Welt." Gäbe es den Namen nicht, man müsste ihn erfinden: Kein Gebirge auf der Erde ist annähernd so hoch und groß wie der Himalaya. Kein Gipfel außerhalb dieses Gebietes erreicht die Achttausendmetergrenze, im Himalaya und im westlich davon gelegenen Karakorum gibt es gleich 14 davon.

Dabei ist der Himalaya eines der jüngeren Gebirge. Rund 50 Millionen Jahre ist es her, seit die indische mit der eurasischen Platte kollidierte - das ist, gemessen an der Skala geologischer Tiefenzeit, nicht besonders viel.

Dass der Himalaya quasi als interkontinentale Knautschzone eine so gewaltige Höhe erreicht hat, liegt an der Heftigkeit der Kollision. Nachdem sich Indien vor etwa 140 Millionen Jahren vom südlichen Urkontinent Gondwanaland löste und gen Norden wanderte, legte es rund 20 Zentimeter pro Jahr zurück.

Das ist in der Kontinentalliga ein absoluter Spitzenwert. Zum Vergleich: Afrika, Australien und Antarktika, die restlichen Teile von Gondwanaland, bewegten sich seit der Kreidezeit - wenn überhaupt - nur zwei bis vier Zentimeter pro Jahr.
Alte Krusten sind dicker
Freilich haben sich Geowissenschaftler nicht nur mit der Beschreibung der Fakten zufrieden gegeben sondern nach Begründungen gesucht. Ein wichtiger Hinweis zu diesem Problem datiert aus dem Jahr 1978. Damals erkannt der US-Geologe Tom Jordan, dass sich junge und alte Kontinentalkrusten durch eine tief liegende, kaum veränderliche "Wurzelzone" unterscheiden.

Bei jungen Krusten ist diese offenbar relativ dünn, bei alten hingegen relativ dick (Nature 274, 544). Im Fall von Kratonen, den Uraltzonen der Kontinentalschollen, beträgt ihr Durchmesser mehr als 250 Kilometer.
Indien besonders dünn
 
Bild: US Geological Survey

Bild oben: Die Erde vor 200 Millionen Jahren.

Die Schlüsse, die man daraus zog, waren unterschiedlich. Manche meinten, dass dicke Wurzelzonen zu einer Beschleunigung der Kontinentaldrift beitragen müssten, andere waren gegenteiliger Ansicht und sagten: dicke geologische Fundamente bremsen. Letzteres dürfte zutreffen, wie nun eine Studie von deutschen und indischen Forschern nahelegt.

Rainer Kind vom Geoforschungszentrum Potsdam und seine Kollegen bestimmten mit einer neuen seismischen Messmethode die Dicke der Kontinentalplatten und fanden einen klaren Zusammenhang zwischen Durchmesser und Wanderfreudigkeit. Die Wurzelzone von Indien, dem absoluten Sprinter unter den Gondwana-Ablegern, reicht lediglich bis in 100 Kilometer Tiefe. Bei Afrika, Australien und Antarktika ist sie hingegen 180 bis 300 Kilometer dick.
Der Turbo aus der Tiefe
Kind und Kollegen haben auch ein erdgeschichtliches Szenario entwickelt, das die Wanderung Indiens im Licht der neuen Daten beschreibt: Vor rund 140 Millionen Jahren dürfte ein ungeheuer heftiger senkrechter Strom heißer Magma aus dem tiefen Erdmantel Gondwana getroffen haben.

Dieser "Plume", wie Geologen solche Strömungen nennen, trennte die indische Platte von ihrem Mutterkontinent und löste einen Teil von dessen Wurzelzone auf. Genau dieses Ereignis dürfte Indien jenen Tempozuwachs beschert haben, dessen steinerne Manifestierung wir heute im Himalaya sehen können.

Robert Czepel, science.ORF.at, 18.10.07
->   Geoforschungszentrum Potsdam
->   Plattentektonik - Wikipedia
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01.01.2010