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Liebe im Krankenhaus: Gar nicht so romantisch  
  Er - groß gewachsen, gut aussehend und brillant - Notfallmediziner. Sie - talentiert, entschlossen, aber dennoch einfühlsam - ebenfalls Ärztin oder Krankenschwester. So sieht das Traumpaar romantischer Trivialliteratur aus. Das meint zumindest ein irischer Psychiater, der dieses Genre nun näher analysiert hat.  
Große Themen - einfach verpackt
Liebe, Tod, Abenteuer, Verbrechen oder Krieg sind die großen Themen sogenannter Trivialliteratur. Besonders romantische Inhalte verkaufen sich bestens, zu den absoluten Bestsellern gehören die Romanzen zwischen Medizinern, quasi eine Weiterentwicklung des klassischen Arztromans.

Der irische Psychiater Brendan Kelly ist durch Zufall vor Jahren über einen "Schundroman" im Medizinermilieu gestolpert. "Die Fantasiewelt brachte mich zum Lachen." Obwohl er selbst prinzipiell niemals solche Geschichten liest, hat ihn das Ganze als Psychiater sehr interessiert. Daher hatte er sich seitdem vorgenommen, dieses Genre systematisch zu untersuchen.

Typischerweise ist triviale Literatur relativ schematisch aufgebaut, um die Erwartungshaltung der Leser nur nicht zu enttäuschen. Diesen Eindruck bestätigte laut Kelly auch seine Analyse von 20 "medizinischen Liebesgeschichten", der er nun im medizinischen Fachblatt "The Lancet" (Bd. 370, S. 1482) vorstellt.
Prototypische Charaktere
Im Zentrum der Handlung steht stets ein heterosexuelles Paar, beide beschäftigt im medizinischen Bereich, am beliebtesten dabei die Erstversorgungs- oder Notfallmedizin.

Die männlichen Protagonisten sind selbstverständlich immer Ärzte, die weibliche Hauptfigur kann unter Umständen auch Ärztin sein - natürlich nur gepaart mit entsprechenden weiblichen, sprich: gefühlsbetonten Charakterzügen. Sehr häufig gehört die Heldin aber auch zu den Schwestern oder anderem medizinischen Hilfspersonal, welches die geforderte Weiblichkeit automatisch inkorporiert.

Auch das Äußere der Figuren zeigt überraschende Einheitlichkeit: Der Arzt ist meist ein großer, muskulöser, maskuliner und kantiger Typ, vorzugsweise mediterraner Abstammung, der bereits einiges an persönlichen Tragödien hinter sich hat. Die Geliebte ist immer wunderschön und talentiert, aber auch von übergroßem Einfühlungsvermögen. Auch sie hatte in ihrer Vergangenheit schon einige Hindernisse persönlicher oder beruflicher Art zu überwinden.

Meist haben beide ihre Privatleben bisher sehr vernachlässigt - natürlich im Dienste ihrer Patienten, oft mussten die Protagonisten selbst bereits schwere Krankheiten überstehen.
Die "aufregende" Welt der Notfallmedizin
Warum die Autoren von Trivialliteratur plötzlich diese Vorliebe für die Welt der Notfallmedizin entdeckt hätten, erklärt der irische Psychiater folgendermaßen: "Das Leben der Mediziner wirkt so aufregend, zumindest von Außen betrachtet." Da passt die Liebe gut rein. Auch im Fernsehen gab es in letzten Jahren sehr populäre Serien mit ähnlichem Setting, wie etwa "Emergency Room" oder "Grey's Anatomy".

Erstaunlich sei jedenfalls, welche unkontrollierten Leidenschaften das Leben in der Notfallmedizin scheinbar produziert, so Brendan Kelly. Auf die Frage nach einem realen Hintergrund derartiger Liebesdramen, meint der Autor der Studie, dass es sich wohl in erster Linie um Fantasiegeschichten handle.

Und die Darstellungen seien natürlich pure Übertreibungen. Er räumt jedoch ein, dass viele seiner befreundeten Ärzte tatsächlich mit Ärztinnen oder Krankenschwestern verheiratet sind. Vielleicht solle man diesen Aspekt bei zukünftigen Ausbildungsprogrammen von Medizinern doch berücksichtigen.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 29.10.07
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01.01.2010