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Bewiesen: Schon Babys erkennen Charakter  
  Dass hilfsbereite Erwachsene von Babys bevorzugt werden, ist allen bekannt, die schon einmal mit ihnen zu tun hatten. Psychologinnen haben das Phänomen nun experimentell bestätigt: Der Charakter von Erwachsenen wird nachweislich bereits von sechs Monate alten Säuglingen erkannt, selbst dann, wenn sie nicht direkt mit ihnen kommunizieren.  
Vieles spricht dafür, dass diese Eigenschaft von Menschen universal und angeboren ist, schreiben die Psychologin Kiley Hamlin vom Kinderforschungszentrum der Universität Yale und ihre Kolleginnen in einer Studie.
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Die Studie "Social evaluation by preverbal infants" ist in "Nature" (Bd. 450, S. 557; 22.11.07) erschienen.
->   Abstract der Studie (Nature)
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Helfende und bösartige Holzklötze
 
Bild: Nature

Um exakt zu sein: Die Forscherinnen testeten die Reaktionen von sechs bzw. zehn Monate alten Babys nicht auf Handlungen von Erwachsenen, sondern von Holzfiguren. Die Eigenschaften, die untersucht werden sollten, verwiesen aber auf Hilfsbereitschaft bzw. Bösartigkeit.

Der Versuchsaufbau sah folgendermaßen aus: Die Entwicklungspsychologinnen führten den Säuglingen eine Holzfigur mit aufgeklebten großen Augen vor (die rote runde), die in zwei Anläufen vergeblich versucht, einen Hügel zu überwinden.

Dann traten zwei weitere Spielzeugfiguren hinzu: Die eine half dem ersten Holzklotz bei der Überwindung des Hügels (das gelbe Dreieck), die andere stieß ihn böswillig in den Abgrund (der blaue Würfel).

Anschließend konnten sich die kleinen Probanden, die während des Versuchs auf dem Schoß eines Elternteils saßen, eines der beiden Spielzeugfiguren aussuchen. Die große Mehrheit griff nach der hilfsbereiten Figur, fast niemand nach dem "Bösewicht". Einen Unterschied zwischen Buben und Mädchen gab es dabei nicht.
->   Videos der Tests (Yale University)
Ungläubige Blicke auf "Klettermax plus Bösewicht"
 
Bild: Nature

In einem zweiten Schritt führten die Forscherinnen den "Klettermax" mit dem "Helfer" bzw. dem "Bösewicht" zusammen (siehe Bild oben). Während ersteres - die Verbindung des Spielzeugs mit dem "Guten" - für die Babys erwartbar war, kam zweiteres überraschend.

Dementsprechend fiel auch die Reaktion der Säuglinge aus. Auf die überraschende Kombination "Klettermax-Bösewicht" (Bild rechts) blickten die zehn Monate alten Babys deutlich länger, sozusagen ungläubig.

Bei den sechs Monate alten Babys zeigte sich dabei hingegen kein Unterschied. Daraus folgern die Forscherinnen, dass sich die Eigenschaft zur eigenen Kritikfähigkeit früher entwickelt als der Schluss auf diese Fähigkeit bei anderen.
Keine Frage der Bewegungsrichtung
Um auszuschließen, dass sich in der Wahl der Kinder bloß die Vorliebe für eine bestimmte Bewegungsrichtung (nach oben) spiegelt, wiederholten die Forscher dieselben Versuche mit anderen Kindern und neutralen Holzfiguren, die aufgrund fehlender aufgeklebter Augen keine Menschen darstellen sollten.

Hierbei fiel die Wahl der Babys fast gleichmäßig auf beide Arten Holzfiguren, "Helfer" und "Bösewicht".

In einem dritten Versuch konnte eine dritte Kindergruppe zwischen menschlich gestalteten Helfern, Bösewichten und unbeteiligten Figuren wählen. Die Babys bevorzugten dabei Helfer gegenüber Unbeteiligten und Unbeteiligte wiederum gegenüber behindernden Individuen.
Angeboren: Grundlage der Moral?
Die Studie liefere den ersten Beleg dafür, dass die sozialen Vorlieben bereits bei Säuglingen vom Verhalten gegenüber Dritten beeinflusst werden, schreiben die Forscher. Die Beobachtungen legten damit nahe, dass Menschen viel früher als bislang gedacht mit der sozialen Bewertung anderer beginnen.

Sie stützten zudem die Ansicht, dass es sich dabei um eine angeborene und nicht um eine erlernte Kompetenz handele. Diese Fähigkeit könne einer biologischen Anpassung entstammen und liefere möglicherweise die Grundlage für Moralvorstellungen und kooperatives Handeln.

[science.ORF.at/AP/dpa, 21.11.07]
->   Kiley Hamlin, Yale University
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01.01.2010