News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Medizinische Mythen auf dem Prüfstand  
  Acht Gläser Wasser sollte der Mensch am Tag mindestens trinken, Lesen bei schlechtem Licht verderbe die Augen und je häufiger man seine Haare schneide, umso schneller würden sie wachsen. Alles Ratschläge oder Meinungen, die kaum auf ihre Gültigkeit hinterfragt werden.  
Nun haben US-amerikanische Forscher sieben dieser medizinischen Allgemeinplätze näher überprüft. Dabei haben sie festgestellt, dass sie entweder nie bewiesen wurden oder nachweislich falsch sind.
...
Der Artikel "Medical Myths. Sometimes even doctors are duped" von Rachel C.Vreeman und Aaron E. Carroll ist im "British Medical Journal" ( Bd. 355, 22-29. Dezember) erschienen.
->   British Medical Journal
...
Gängige Behauptungen kaum hinterfragt
Eigentlich sei es für Ärzte selbstverständlich, sich ständig neues Wissen anzueignen, so die Autoren. Dabei werde aber übersehen, dass man auch altes Wissen ab und zu in Frage stellen sollte.

Zu diesem Zweck erstellten die Mediziner eine Liste gängiger medizinischer Behauptungen, die sie immer wieder in der Öffentlichkeit, aber auch aus dem Mund von Ärzten gehört hatten. Auch sie selbst vermuteten, dass es sich dabei um wissenschaftliche Tatsachen handelte.

Sieben dieser "Fakten" wurden ausgewählt. Die Forscher begaben sich auf die Suche nach Evidenzen und Publikationen, um die Behauptungen auf ihren tatsächlichen Wahrheitsgehalt zu untersuchen.
Wasser trinken doch nicht so gesund?
Die erste Nachforschung befasste sich mit der Empfehlung, mindestens acht Gläser Wasser pro Tag zu trinken. Laut den Autoren gebe es keinerlei Untersuchungen oder Anhaltspunkte, die diesen Ratschlag belegen.

Die einzigen Studien in diesem Zusammenhang zeigen, dass eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr bei einem "normalen" Konsum von Nahrungsmitteln von Gemüse oder Obst bis zu Saft, Tee und Kaffee gewährleistet ist. Zuviel Trinken kann im Gegensatz dazu auch gefährlich sein, unter Umständen - bei einer Hyperhydration oder Wasserergiftung - sogar lebensbedrohlich, das sei zumindest erwiesen.

Ein weiterer untersuchter Mythos: "Wir benützen nur 10 Prozent unseres Gehirns." Auch diese Meinung hält sich hartnäckig seit vielen Jahrzehnten. Dabei sei heute - mit all den Bild gebenden Verfahren der Neurowissenschaften - sehr leicht zu sehen, dass beim Mensch im Durchschnitt weit mehr als zehn Prozent aktiv sind.
Vermeintliches Wachstum
Gleich zwei Alltagsmeinungen befassen sich mit dem Wachstum von Nägeln oder Haaren. Eine besagt, dass beide nach dem Tod weiter wachsen würden. In Wirklichkeit ist kein derartiges Phänomen bekannt. Die mögliche biologische Ursache dieses Glaubens: Möglicherweise entsteht der Eindruck des Wachstums durch die Austrocknung nach dem Tod, so die Autoren.

Haaren könnte durch häufiges Schneiden zu schnellerem Wachstum verholfen werden, so der andere weit verbreitete Mythos. Schon 1928 wurde nachgewiesen, dass das leider nicht der Fall ist. Spätere Studien haben dies bestätigt.
Lesen im Kerzenschein
"Du verdirbst dir noch die Augen." Diesen Satz mussten sich bereits Generationen von Kindern anhören, wenn sie bei nur schwachem Licht lasen. Zu Unrecht, wie Vreeman und ihr Kollege festgestellt haben. Suboptimale Beleuchtung sei zwar nicht sehr angenehm, man kann schlecht fokussieren und blinzelt zu selten. Langfristige Auswirkungen gebe es jedoch keine, zumindest konnten bis jetzt noch keine nachgewiesen werden.

Auch die letzten zwei untersuchten Behauptungen entpuppten sich als unwahr: Der Genuss von Truthahn mache schläfrig. Und Mobiltelefone könnten im Krankenhaus gefährlich sein. Selbst lange Testreihen konnten nur minimale Interferenzen der Handys mit medizinischen Geräten feststellen.

Der abschließende Appell der Autoren an praktizierende Ärzte: Bevor sie ihre Entscheidungen treffen, sollten sie dann und wann ihr medizinisches Wissen überprüfen. Die hier untersuchten Mythen hätten zwar vermutlich kaum negative Folgen, bei der Wahl von Behandlungsmethoden mit geringer Evidenz könnte dies aber sehr wohl der Fall sein.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 23.12.07
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Medizin: Falschmeinungen halten sich hartnäckig (5.12.07)
->   Trennkost laut Experten ein "Ernährungsmärchen" (7.6.06)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010