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Das Wissenschaftsjahr 2007 im Rückspiegel  
  Ein Wissenschaftsjahr geht zu Ende: Spektakuläre Forschungsergebnisse wie die verjüngten Hautzellen, die sich wie Stammzellen verhalten, wurden 2007 ebenso geliefert wie Kuriositäten: Beweise, dass das Wetter am Wochenende wirklich schlechter ist, geklonte Katzen, die im Dunkeln rot leuchten, und Erklärungen, warum schwangere Frauen nicht umkippen. Ein subjektiver Rückblick auf ein turbulentes Jahr, in dem auch österreichische Forscher und Forscherinnen in die Schlagzeilen kamen.  
Therapie mit künstlichen Stammzellen
Die vermutlich wichtigste Entwicklung in den Lebenswissenschaften betrifft die Stammzellforschung. Erstmals gelang es, menschliche Hautzellen in Zellen zu verwandeln, die in ihren Eigenschaften den embryonalen Stammzellen stark ähneln.

Auch eine erste Therapie mit diesen künstlichen "Alleskönnerzellen" wurde präsentiert: Eine Blutkrankheit konnte erfolgreich behandelt werden, vorerst allerdings nur bei Labormäusen. Ob die neue Methode die ethischen Diskussionen der Stammzellforschung beenden wird, bleibt umstritten.
Persönliche DNA, alternative Elementarteilchen
Die Unterschiede im Erbgut des Menschen und die Personalisierung von DNA-Sequenzierungen waren für das Wissenschaftsmagazin "Science" die wichtigste wissenschaftliche Entwicklung des Jahres. Craig Venter war der erste, dessen persönliche DNA entziffert wurde.

Schwedische Physiker widersprachen der Stringtheorie und setzen auf Preonen als die neuen Elementarteilchen, aus denen alle Materie besteht.

Bei der Frage, ob es sich bei den Knochenfunden von als "Hobbits" bespitznamten Zwergenmenschen um eine eigene Art handelt oder nicht, setzt sich langsam aber sicher die erste Variante durch.
Gedankengesteuerte Prothese
Die Ärzte am Wiener AKH haben heuer nicht nur mit Ohrfeigen, Intrigen und fragwürdigen Geschäftspraktiken für Aufmerksamkeit gesorgt, sondern auch mit einer Europapremiere.

Sie haben einem Patienten, der nach einem Stromunfall beide Arme verloren hatte, eine neuartige "Gedankenprothese" verschafft. Mit ihr lassen sich Arm- und Handbewegungen durchführen, einfach indem der Patient an die jeweilige Bewegung denkt.

Während diese Prothese bereits existiert, ist der technische Nachbau einer Psyche vorerst noch ein Plan. Das einzigartige Projekt vereint Ingenieurwissenschaftler und Psychoanalytiker.
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Klima wird wärmer und boomt
"Klima" wird in der Wissenschaft immer wichtiger, die Klimaforschung boomt. Der UNO-Klimarat bekam den Friedensnobelpreisund gab der Erde nur noch acht Jahre für die "Klimarettung". Österreichs Gletscher verschwinden, im internationalen Polarjahr machten heimische Forscher eine Expedition nach Grönland und dann brach auch noch ein Streit aus, ob das Wetter am Wochenende tatsächlich schlechter ist.
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Made in Austria: Quanten, Fliegensex, Hundeverhalten
Eine Reihe weiterer Forschungsergebnisse aus Österreich sorgte für Schlagzeilen: Quantenphysiker haben die Distanz, über die die Verschränkung von Lichtteilchen nachweisbar bleibt, erhöht. Bei einem Experiment zwischen den kanarischen Inseln La Palma und Teneriffa wurde eine Strecke von 144 Kilometern überwunden.

Biologen haben die Erkenntnisse über das liebste aller Labortiere wieder erweitert: Der Sex von Fruchtfliegen ist nicht nur sehr einfach gestrickt, bei der Mutation eines bestimmten Gens verhalten sie sich auch noch "jungfräulich" - trotz vorheriger Begattung.

Verhaltensforscher haben schließlich gezeigt, dass Hunde komplexe Farbfotografien unterscheiden und in Kategorien einordnen können wie der Mensch.
Kränkung zwischen Mensch und Affe
Es war überhaupt ein Jahr der narzisstischen Kränkung für den Menschen. Schimpansen können sich Zahlen auf einem Bildschirm besser merken als Menschen, berichteten japanische Forscher. Rhesusaffen wiederum zeigten sich als fast ebenbürtig beim Addieren.

Tröstlich und wohl nur für reine Biologen überraschend ist die Quelle für weiter bestehende Unterschiede beim Intelligenzvergleich Affe-Mensch. Die sozialen und kulturellen Fähigkeiten sind es, die den Menschen doch noch überlegen machen, auch wenn nicht viele seiner Taten von Intelligenz zeugen.
Abrechnung mit Religionen
Damit sind wir bei der Religion, in deren Namen auch heuer wieder ausreichend Bluttaten begangen worden sind, weshalb man sie ruhig als "spaltende Kraft, ein Etikett für Feindseligkeiten und Blutrache zwischen verschiedenen Gruppen" bezeichnen kann.

Das tat zumindest der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der in seinem neuen Buch eine "Abrechnung mit Gott" unternommen hat.

Dass schon das Lesen "heiliger Schriften" unmittelbar Gewalt auslösen kann, haben heuer US-Psychologen bewiesen.
"Erfolgreiche" Nazis und ihre Opfer
Gewalttätig waren auch die Nazis, besonders "erfolgreich" waren sie im Kärntner Lavanttal, wo sie bereits 1934 die Macht übernahmen und ganze fünf Tage Bundesheer und Gendarmerie Widerstand leisten konnten.

Wer vor den Nazis fliehen konnte, hatte Glück - und oft eine zweifelhafte Erfolgsgeschichte vor sich, wie Wissenschaftshistoriker beschrieben haben.

Die Wissenschaftszeitschrift "Nature" war unter Hitler verboten, die Geschichte des Verbots wurde heuer recherchiert, als Grund führten die Nazis u.a. an, dass das "jüdische Gräuelblatt" "niederträchtige Attacken gegen die deutsche Wissenschaft" reite.
Kurioses: Nichtkippende Schwangere und T.Rex-Tempo
Das Kuriositätenkabinett der Wissenschaft war heuer reichlich gefüllt: So wurde die Frage geklärt, warum schwangere Frauen nicht umkippen - rein evolutionär betrachtet natürlich -, es wurden Katzen geklont, die im Dunkeln rot leuchten, die Laufgeschwindigkeit von T. Rex ermittelt (29 km/h) und sechs verschiedene Typen von Vätern ermittelt.

Und auch dass Kriminelle ihr Wissen über DNA-Spuren zunehmend aus TV-Serien beziehen und ihre Handlungen danach ausrichten, wurde geklärt.
Immer im Fokus der Forschung: Männer und Frauen
Für den ewigen Kampf der Geschlechter gab es neuen Munitionsstoff. Laut Psychologen sind Männer genauso geschwätzig wie Frauen, vielleicht schlafen schlafen letztere deshalb besser ohne ihre schlechtere Hälfte.

Viele Männer und Frauen verlieben sich aber nach wie vor, und das liegt eher am Hüftschwung der Frauen als an ihren Hüften - mit anderen Worten: die Bilder von geschlechtsspezifischem Verhalten im Kopf der Betrachter sind wichtiger als die Biologie.

Wenn Biologie und Bilder nicht mehr ausreichen, ist die Scheidung ein immer beliebterer Ausweg - mit Folgen, die auch für die Umwelt schädlich sind.
Unis: Plagiate und erste Rektorin
An den heimischen Unis blieb alles beim Alten. Fast. Je höher die Position, desto weniger Frauen gibt es zwar nach wie vor, dafür wurde heuer mit Ingela Bruner an der Wiener Boku erstmals eine Frau an die Spitze einer Universität gewählt.

Woher der Wind strukturell weht, hat ein Netzwerkanalytiker herausgefunden: Jene Universitätsräte, die aus der Wirtschaft kommen, sind mit Abstand am einflussreichsten - die Ökonomie dominiert an den Unis.

Weniger einflussreich ist der "Plagiatsjäger" Stefan Weber. Dieser hatte im Jänner wegen "trauriger Bilanz" seinen Rückzug angetreten, um im Juni eine Debatte über die Dissertation von Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) anzufangen - was folgenlos blieb.
Bilanz und Ausblick
Soweit also die Bilanz des Jahres. Bleiben nur noch zwei Dinge übrig: zum einen die Absicht zu erklären, auch in Zukunft der Wahrheit verpflichtet zu sein, und nichts als der Wahrheit im Sinne des US-Philosophen Harry G. Frankfurt; zum anderen ein gutes neues Jahr zu wünschen - und einen ebensolchen Rutsch.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 28.12.07
 
 
 
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01.01.2010