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"Hobbits": Kleinwüchsig aufgrund von Gendefekt?  
  Ein deutsches Forscherteam hat einen Gendefekt für Kleinwuchs entdeckt. Betroffene würden kaum größer als einen Meter, Menschen mit diesem seltenen Gendefekt hätten auch ein erhöhtes Diabetes- und Schlaganfall-Risiko, berichten die Wissenschaftler.  
Die Entdeckung könnte neue Erklärungsansätze für den Kleinwuchs jener kürzlich entdeckten Menschenart liefern, die den Spitznamen "Hobbit" trägt, vermutet die Studienleiterin Anita Rauch von der Universität Erlangen.
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Die Studie "Mutations in the Pericentrin (PCTN) Gene Cause Primordial Dwarfism" ist am 3. Jänner 2007 online in "Science Express" erschienen (DOI:10.1126/science.1151174).
->   Abstract
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These: "Hobbit"-typische Fehlbildungen
Bild: EPA
Homo floresiensis aka "Hobbit"
Der umgangssprachlich "Hobbit" getaufte Homo floresiensis lebte vor 18.000 Jahren auf der Insel Flores, seine Einstufung als neue Art ist allerdings umstritten. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass der Homo floresiensis unter dem entdeckten Gendefekt litt, sagte Rauch. So seien bei den Überresten der kleinwüchsigen Menschen typische Knochen-Fehlbildungen, Gesichtsasymmetrien und Zahnanomalien entdeckt worden.

"Vieles deutet daher daraufhin, dass es sich bei den "Hobbits" nicht um eine bestimmte menschliche Art handelt, sondern um Menschen mit Genveränderungen, erläuterte Rauch. Fachleute sprechen von der Kleinwüchsigkeit des Typs MOPD II ("Microcephalic Osteodysplastic Primordial Dwarfism Type II").

Charakteristisch für diese seltene angeborene Kleinwüchsigkeit ist auch, dass die Betroffenen bei normaler Intelligenz im Schnitt nur das Hirnvolumen eines drei Monate alten Säuglings besitzen.
Defekt des Gens Perizentrin
Das Team um Rauch hatte weltweit 25 kleinwüchsige Patienten mit MOPD II untersucht. Auf den verantwortlichen Defekt stießen sie bei dem Gen Perizentrin.

Durch den Fehler seien die Anker beschädigt, mit deren Hilfe bei der Zellteilung das Erbgut auf beide Tochterzellen verteilt wird. In der Folge sei die Zellteilung und in letzter Konsequenz das Wachstum des betroffenen Menschen behindert.
Fehler bei der Zellteilung
Die Zellteilung sei überhaupt nur möglich, weil es ein zweites Protein gebe, das dem beschädigten ähnele und wenigstens zum Teil seine Aufgaben übernehme.

Gewebeproben von Kleinwüchsigen hätten ergeben, dass sich die Zellen oft nicht korrekt teilen oder sich Chromosomen zu früh spalten.
Fibroblasten bei der Zellteilung
 
Bild: A. Rauch

So sehen Fibroblasten, Zellen des Bindegewebes, bei einer normalen Zellteilung aus: Rot gefärbt ist das Perizentrin-Protein - ist es defekt, kann das laut Studie Kleinwüchsigkeit auslösen. Grün leuchtet Alpha-Tubulin, ein Teil des für die Zellteilung grundlegenden Spindelapparats. Auch das Tubulin ist bei den untersuchten kleinwüchsigen Menschen defekt aufgrund des Mangels an Perizentrin. Blau gefärbt ist das Chromatin.
Rückschlüsse für die Behandlung
Die neu gewonnen Erkenntnisse werden nach Einschätzung der Humangenetikerin Rauch Eltern genauere Diagnosen hinsichtlich eines Kleinwuchsrisikos des Nachwuchses zur Verfügung stellen. Bei der Diagnose von Kleinwüchsigkeit bei einem Kind ließen sich künftig Fehlbehandlungen vermeiden.

"Wenn ich weiß, dass diese spezielle genetisch-bedingte Zwergwüchsigkeit vorliegt, dann weiß ich, dass ich dem Kind mit Wachstumshormonen eher schade als helfe", erläuterte Rauch.

[science.ORF.at/dpa, 4.1.08]
->   Anita Rauch (Universität Erlangen)
Mehr über die "Hobbit"-Diskussion in science.ORF.at:
->   Handknochen zeigen: Der "Hobbit" war eine eigene Art (20.9.07)
->   Fall "Hobbit": Hirn-Scans sprechen für eigene Art (30.1.07)
->   Studie: "Hobbits" sind keine eigene Menschenart (22.8.06)
 
 
 
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01.01.2010