News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Feinstaub: Experte will Senkung der Grenzwerte  
  2007 ist die Feinstaubbelastung in Österreich zwar gesunken, aber das wird in erster Linie auf den milden Winter zurückgeführt. In immerhin zehn Städten und Gemeinden waren die Feinstaubwerte trotzdem eindeutig zu hoch.  
Ein Wiener Umwelthygiene-Experte hat nun im Auftrag des Landes Steiermark den Zusammenhang von Feinstaub und Krankheiten analysiert. Er meint: Zum Schutz der Gesundheit müssten die Grenzwerte gesenkt werden.
Anstieg der Todesfälle
Laut der Tageszeitung "Der Standard" konnte eine Studie von Manfred Neuberger vom Institut für Umwelthygiene von der Universität Wien nachweisen, dass es in Wien und Graz schon pro zehn Mikrogramm pro Kubikmeter Luft zu einem Anstieg von Todesfällen um etwa 1,5 Prozent komme.

Diese Wirkung sei nach sieben Tagen sogar stärker als am ersten Tag - und zwar schon unter dem Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.
...
Zusammenhang immer wieder belegt
So winzig, für das freie Auge unsichtbar, und anscheinend doch so große Auswirkungen auf die Gesundheit: Zahlreiche Studien haben immer wieder einen Zusammenhang zwischen Feinstaub und Erkrankungen gezeigt - von vorübergehenden Beeinträchtigungen der Lungenfunktion bis zu Todesfällen, vor allem aufgrund von Atemwegs- und Herzkreislauf-Erkrankungen.
...
Nie unbedenklich?
Manfred Neuberger hat im Auftrag des Landes Steiermark bzw. des Gesundheitslandesrates eine weitere Expertise erstellt, die allerdings noch nicht veröffentlicht ist. Sie habe weitgehend bisherige internationale Studien bestätigt; neu sei die Erkenntnis, dass es beim Feinstaub keine - wenn man so will - "Unbedenklichkeitsgrenze" gibt, so Manfred Neuberger im Ö1 Mittagsjournal:

"Es kommt nicht darauf an, wie oft der Grenzwert knapp überschritten ist, sondern jede Reduktion der Feinstaubbelastung bringt einen gesundheitlichen Vorteil. Und auch weniger belastete, aber dicht besiedelte Gebiete sollten den Feinstaub reduzieren; und nicht nur im Winter-Halbjahr auch im Sommer-Halbjahr sollte man ihn reduzieren."
...
Verkürzte Lebenserwartung
Eine hohe und langjährige Feinstaub-Belastung könne das Risiko für Lungen- und Herzkreislauferkrankungen erhöhen und damit auch die Lebenserwartung verkürzen ¿ in Österreich um durchschnittlich neun Monate: Mit dieser Berechnung hatte das Umweltbundesamt Wien vor eineinhalb Jahren ordentlich Staub aufgewirbelt.
->   Mehr dazu in oesterreich.ORF.at
...
Alle Verbrennungsaerosole gefährlich
Hohe Feinstaub-Belastung/ hohes Gesundheitsrisiko - der Zusammenhang ergebe sich nicht nur statistisch, sondern sei auch in Versuchen mit Menschen und Tieren belegt worden, so Manfred Neuberger.

"Aus medizinischer Sicht besonders gesundheitsgefährdend sind alle Verbrennungsaerosole - wie Dieselruß aber auch Holzrauch - die sehr klein sind, lange schwebefähig und tief in die Atemwege vordringen.

Teilchen, die dort sehr lange verweilen und zum Teil die Lunge durchdringen und auf dem Blutweg direkt ins Herz kommen oder auch in die Leber, wo das Gerinnungssystem beeinflusst wird. Da gibt es rasch Veränderungen, die bei jemandem, der schon vorgeschädigt ist, auch zu einer akuten Komplikation wie einem Herzinfarkt führen können."
Werte senken
Für Feinstaub gebe es im Gegensatz zu anderen Luft-Schadstoffen keine Schwelle, unter der die Gesundheit nicht geschädigt werde, so der Professor für Umwelthygiene Manfred Neuberger. Sprich: Auch die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte schütze nicht 100prozentig:

"Es bringt durchaus etwas, wenn man die Feinstaubwerte absenkt, auch wenn man schon unter den Grenzwerten ist (sofern technisch möglich). Das hat überall gesundheitliche Vorteile."
...
EU-Grenzwerte für PM 2,5
Im Dezember 2007 hat das Europäische Parlament erstmals Grenzwerte für die extrem feinen Partikel der Größe 2,5 Mikrometer festgelegt; derzeit gelten Grenzwerte nur für Partikel der Größe 10 Mikrometer. Guter Ansatz, aber noch zu wenig ambitioniert, meint der Umwelthygieniker Neuberger sinngemäß: Der EU-Grenzwert sei zu hoch, da seien die USA und insbesondere Kalifornien schon viel strenger.
...
Recht auf saubere Luft?
Neubergers Studie könnte im weitesten Sinn auch rechtliche Folgen haben, wenn es nämlich darum geht, feinstaubfreie Atemluft einzuklagen: Wie "Der Standard" schreibt, wird im Februar der Prozess eines Grazers fortgesetzt. Der Mann hatte die Republik Österreich geklagt, weil sie das Immissionsschutzgesetz Luft nicht genügend umsetze. Allerdings muss der Kläger beweisen, dass dadurch Erkrankungen drohen.

Parallel dazu hat das deutsche Bundesverwaltungsgericht zuletzt die Frage des Rechts auf saubere Atemluft an den Europäischen Gerichtshof weitergeleitet. Das Urteil ist ausständig.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 7.1.08
->   Umweltbundesamt zu Feinstaub (PM 10)
->   Umweltbundesamt zu Feinstaub (PM 2,5)
->   "Der Standard"
->   Das Stichwort "Feinstaub" im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010