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Stammzellforschung befasst Moraltheologie  
  Die Forschung an embryonalen Stammzellen in vielen Staaten verboten oder zumindest umstritten. Katholische Moraltheologen luden nun zu einem Dialog in Sachen Stammzellforschung.  
Vielversprechende Reprogrammierung
Embryonen scheinen für die Stammzellforschung nicht mehr unbedingt notwendig, das stellten Forscherteams aus aller Welt vor wenigen Wochen in Aussicht: da war es gelungen, Hautzellen einer erwachsenen Frau sowie eines Babys zu reprogrammieren.
Sind die embryonalen Stammzellen mittlerweile ersetzlich? Dazu der Humangenetiker Markus Hengstschläger von der Medizinischen Universität Wien:

"Man muss unterscheiden zwischen Grundlagenwissenschaft und Therapie. Es ist über zehn Jahre her, dass embryonale Stammzellen des Menschen in Kultur gebracht worden sind, und bis heute gibt es keine Therapie mit diesen Zellen. Für die Grundlagenwissenschaft sind embryonale Stammzellen unersetzlich, die Frage hier ist aber: müssen die vom Menschen sein?"
Moraltheologie lädt zur Diskussion
Unter dem Titel "Die Zukunft der Stammzellen-Forschung" lud heute die katholisch-theologische Fakultät der Universität Wien gemeinsam mit Hengstschläger zum Forschungsdialog. Die Entdeckung neuer Stammzellen durch Forscher in Japan und den USA - als Alternative zur Embryonen-Zerstörung - sorge für leidenschaftliche Diskussionen.

Damit würden Forschung und Politik auch in Österreich vor die Aufgabe gestellt, die neuen Ergebnisse zu interpretieren und mögliche Konsequenzen für die Steuerung der nationalen Forschung zu ziehen, so die katholisch-theologische Fakultät: "Ist diese Erfindung nicht ein Grund für die Politik, am Verbot der Zerstörung menschlicher Embryonen als Rohstoff für Wirtschaft und Wissenschaft festzuhalten?"
Keine Therapie mit embryonalen Stammzellen?
In der Therapie sollten embryonale Stammzellen übrigens überhaupt nicht verwendet werden, meint der Humangenetiker Markus Hengstschläger, denn da sei die Gefahr zu groß, dass Krebs entsteht. Hengstschläger ist Mitglied der Bioethik-Kommission, einem beratenden Expertengremium für den Bundeskanzler bzw. die Bundesregierung.
Techniken vergleichen
In der Grundlagenforschung stelle sich die Frage angesichts der neuen Techniken (bei denen ausdifferenzierte Zellen mit Hilfe von eingeschleusten Genen reprogrammiert werden, sodass sie sich wieder zu unterschiedlichen Zellen entwickeln können), hier stelle sich also die Frage, wo in der Grundlagenforschung Stammzellen von menschlichen Embryos überhaupt noch notwendig seien, so Hengstschläger:

"Da wird man in den nächsten ein, zwei Jahren klären müssen, was reprogrammierte Zellen in Kulturen wirklich können. Ich hoffe aber, dass à la longue die reprogrammierten Zellen die embryonalen Stammzellen ersetzen werden."
Welche Forschung fördern?
Die EU unterstützt finanziell derzeit einzelne Forschungen mit embryonalen Stammzellen, sofern nicht extra Embryos zerstört, sondern etwa bereits vorhandene Zell-Linien untersucht werden. Unter anderem Österreich hatte sich wegen ethischer Bedenken grundsätzlich dagegen ausgesprochen.
Sigrid Müller, Vorstand des Instituts für Moraltheologie der katholisch-theologischen Fakultät der Uni Wien:

"Es geht ja darum, dass die embryonale Stammzellforschung mit Hoffnungen wirbt, die sich noch zehn oder 15 Jahre hinziehen können. Und das heißt, für mögliche künftige Heilungschancen kann man nicht embryonales Leben aufrechnen."

Aus Sicht der Moraltheologin sollten öffentliche Gelder zwar für die Stammzellforschung fließen, aber eben für die weniger umstrittene Forschung mit adulten Stammzellen oder zur neuartigen Reprogrammierung von Körperzellen.
Große Fachtagung am 17./18. Jänner
Interessant ist übrigens der Zeitpunkt der heutigen Veranstaltung an der katholisch-theologischen Fakultät: denn in zehn Tagen wird in Wien eine große Stammzelltagung abgehalten - von der Bioethik-Kommission des Bundeskanzlers und dem Institut für Ethik und Recht in der Medizin, dem der evangelische Theologe Ulrich Körtner vorsteht.

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft, 9.1.08
->   Tagungsprogramm Stammzellforschung
->   Instiut für Ethik und Recht in der Medizin
->   Institut für Moraltheologie
 
 
 
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01.01.2010