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Öko-Paradox: Pflanzen brauchen Pflanzenfresser  
  Die Abwesenheit von Elefanten und Giraffen löst in der afrikanischen Savanne offenbar eine Kaskade ökologischer Folgewirkungen aus. Das erstaunliche Ergebnis einer Studie: Just Akazien, die auf dem Speiseplan der großen Pflanzenfresser stehen, leiden besonders unter dem Rückgang der bedrohten Tiere.  
Bedrohte Säuger
"Nachdem die großen Säugetiere südlich der Sahara durch Jagd, Bevölkerungswachstum und die Fragmentierung des natürlichen Lebensraumes bedroht sind, muss man sich fragen, welche Auswirkungen dieser Verlust auf das ganze Ökosystem hat", sagt Todd Palmer von der University of Florida.

"Was man am wenigsten erwarten würde, ist, dass auch Bäume unter der Bedrohung der Säuger leiden - aber das ist genau das, was wir beobachtet haben."
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Die entsprechende Studie, "Breakdown of an Ant-Plant Mutualism Follows the Loss of Large Herbivores from an African Savanna", ist im Fachjournal "Science" erschienen (Bd. 319, S. 192; doi: 10.1126/science.1151579)
->   Abstract
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Partnerschaft: Insekt und Pflanze
 
Bild: Todd Palmer

Die Sache hat offenbar mit der engen Verschränkung der Überlebensstrategien von Akazien und Ameisen zu tun. Um sich gegen übermäßigen Blattfraß durch Elefanten, Giraffen und Co. zu schützen, haben die Bäume im Lauf der Evolution quasi eine Leibgarde engagiert. Sie stellen Ameisen geschwollene Dornen als Nester zur Verfügung und versorgen sie obendrein mit kohlenhydratreichem Nektar, den sie durch Drüsen an der Blattbasis absondern (Bild oben).

Das kostet zwar Energie, kurbelt aber ein wichtiges Tauschgeschäft an: Die Ameisen, oft mehr als 100.000 pro Baum, reagieren nämlich recht aggressiv gegenüber anderen Tieren, sofern sie den Akazien zu nahe kommen, seien es nun Schadinsekten oder große Pflanzenfresser. Mutualismus nennen Ökologen solche Formen des Zusammenlebens, die für beide Partner gewinnbringend sind.
Mehr als zehn Jahre Isolation
So sieht die Situation aus, wenn das Zusammenspiel zwischen Insekten und Pflanzen klaglos funktionert. Als Palmer vor einigen Jahren auf einer Forschungsreise in Zentralkenia war, fiel ihm auf, dass gerade jene Akazien besonders klein und kränklich aussahen, die isoliert von Pflanzenfressern lebten.

Das veranlasste ihn, die Sache mit Kollegen aus Kanada und den USA systematisch zu untersuchen. Die idealen Rahmenbedingungen dafür lieferte das Forschungsprojekt KLEE (Kenya Long-term Exclosure Experiment), im Rahmen dessen seit 1995 Areale durch elektrisch geladene Zäune vom Rest der kenianischen Savanne getrennt und sich selbst überlassen wurden.
Ironie der Sparsamkeit
Der Vergleich bestätigte die ersten Beobachtungen. Bäume aus den isolierten Arealen hatten offenbar weniger in die Nektarproduktion und die Behausungen der Ameisen investiert, weswegen diese im Gegenzug schwächelten.

Als Konsequenz des erlahmten Mutualismus übernahmen dann Ameisen einer anderen Art das Kommando. Sie schützten die Bäume allerdings nicht vor Feinden - ganz im Gegenteil: Sie förderten die Ansiedelung eines Käfers, dessen Larven Löcher ins Holz bohren.

Aus Sicht der Insekten durchaus sinnvoll, da sie ihnen als Unterkunft dienen, aus Sicht der Pflanzen indes weniger erfreulich: Die isolierten Akazien wuchsen laut Studie um zwei Drittel langsamer, ihr Risiko abzusterben war doppelt so hoch.

Todd Palmer: "Wenn man die großen Säugetiere entfernt, verlagert sich das Kräfteverhältnis, weil die Bäume mit ihren Gegenleistungen in Verzug geraten. Ironischerweise wachsen sie dadurch langsamer - und sterben früher."

Robert Czepel, science.ORF.at, 11.1.08
->   Kenya Long-term Exclosure Experiment
->   Todd Palmer
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01.01.2010