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Kunstherz aus körpereigenen Zellen  
  In Österreich warten durchschnittlich 75 Menschen auf ein Spenderherz, immerhin 55 Menschen pro Jahr erhalten eines. Kunstherzen, künstliche Pumpen aus Metall und Kunststoff, sind mitunter Übergangslösungen. Ein junger Tiroler Mediziner hat nun an der Harvard Medical School in Boston und an der Universität Minnesota kleine Kunstherzen aus körpereigenem Material zum Schlagen gebracht.  
Zellen wachsen auf Herzgerüst
Das "biologische Kunstherz" zum Schlagen gebracht haben der Tiroler Chirurg Harald Ott und sein Team. Ott forscht und unterrichtet seit zwei Jahren an der Harvard Medical School in Boston.

Grundlage für das kleine Organ ist das Herz einer Ratte. Die Zellen wurden mit einer speziellen Lösung ausgewaschen und das übriggebliebene Gerüst aus Herzkammern, Klappen und Gefäßen mit Zellen neu besiedelt, schildert Harald Ott gegenüber science.ORF.at:

"Wir haben Herzzellen von neugeborenen Ratten isoliert, im Labor gezüchtet und wieder auf die Matrix [Anm. das "Gerüst" des von Zellen befreiten Herzens] aufgesiedelt. Der Prozess hat wenige Tage gedauert. Das Herz wurde in einen Bioreaktor eingebaut - der Bioreaktor simuliert die natürliche Umgebung eines sich entwickelnden Herzens und in dieser Umgebung konnte sich binnen weniger Tage ein kleines Organ bilden, das ähnlich wie ein erwachsenes Rattenherz ausgesehen hat."
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Video
Ein walnussgroßes Rattenherz, isoliert in einer Nährlösung (einem sogenannten Bioreaktor), aber es schlägt: Nach Angaben des Studienautors Harald Ott wurde die Videoaufnahme acht Tage nach "Rezellularisierung" und Kultur im Bioreaktor gemacht )(Copyright: University of Minnesota, Center for Cardiovascular Repair, HC Ott and DA Taylor).
->   Video (wmv-Datei)
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De- und Rezellulalisierung am Beispiel Schweineherz
 
Bild: University of Minnesota, Center for Cardiovascular Repair, HC Ott and DA Taylor

Ein frisches (links) und ein dezellularisiertes (rechts) Schweineherz

Das Bild veranschaulicht am Schweineherz, was die Studienautoren auch an Rattenherzen vorgenommen haben: das "Auswaschen" der Zellen, sodass nur das Gerüst aus Kammern und Klappen übrig bleibt.
Bioreaktor simuliert und stimuliert
 
Bild: Thomas Matthiesen

Dezellularisierung eines Rattenherzens

Acht Kunstherzen aus körpereigenem Material haben Harald Ott und sein Team in einer Nährlösung gezüchtet. Nach vier Tagen haben die Herzen erstmals zu schlagen begonnen, so Harald Ott auf Radio Österreich 1:

"Der Bioreaktor versorgt das Herz mit der natürlichen Umgebung eines sich entwickelnden Herzens: Das Herz wird mit sauerstoff- und nährstoffreicher Flüssigkeit durchblutet; der linke Ventrikel [Anm. Kammer] des Herzens wird durch Druckveränderungen stimuliert und gleichzeitig wird das Herz auch durch elektrische Reize stimuliert, vergleichbar mit den Reizen in einem sich natürlich entwickelnden Herzen."
Bio-Kunstherzen blieben lange fit
Es sei für das Forscherteam erstaunlich gewesen, dass ein Kunstherz im Bioreaktor bis zu acht Wochen aufrecht erhalten werden konnte.

"Das ist insofern vielversprechend, als es vermutlich eine noch längere Kulturperiode brauchen wird, um ein transplantierbares Organ herzustellen. Das Hauptproblem bei unseren Versuchen war das hohe Infektionsrisiko", so Harald Ott zu science.ORF.at.
"Natürliches" Gerüst
Die "natürliche" Matrix bei dieser Studie sei das Besondere, und dadurch unterscheide sich das Experiment von anderen Forschergruppen. "Die Matrix, also die Umgebung auf die die Zellen gesiedelt werden, entspricht der Matrix des Herzens und ist keine künstlich hergestellte", so Harald Ott.

Eine US-Forschergruppe habe beispielsweise im Vorjahr eine Matrix in Beutelform und eine deutsche Forschergruppe eine künstliche Matrix mit zusätzlichen Kanälen (zur Blutversorgung) hergestellt. Doch nun eben stammt das Grundgerüst von einem "echten" Organ.
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Die entsprechende Studie "Perfusion-decellularized matrix: using nature's platform to engineer a bioartificial heart" ist als Online-Vorabpublikation in "Nature Medicine" (13. Jänner 2008; doi:10.1038/nm1684) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Zwei Prozent Pumpleistung
Besonders stark schlagen die biologischen Kunstherzen im Labor noch nicht. Doch die Versuche seien vielversprechend, meint Ott. In weiterer Ferne liege die Hoffnung, einmal ein größeres Herz, ein menschliches Herz, derart und mit körpereigenen Zellen wieder zum Schlagen zu bringen - nämlich ohne die Abstoßungs-Komplikationen bei Spenderherzen.

Schritt für Schritt: Kunstherzen
Im Jahr 2001 hat erstmals ein Kunstherz das kranke Herz eines Patienten komplett ersetzt. Das künstliche Organ arbeitet völlig eigenständig und ohne Schläuche nach außen. Dieses Kunstherz war damals eine Pumpe aus Titan und Plastik, über vier Schläuche mit den Blutgefäßen des Patienten verbunden; angetrieben von einer Batterie.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 14.1.08
->   Künstliches Herzgewebe (Universitäten Leipzig und Hamburg, 2006)
->   Bericht in der New York Times
->   Harald Ott, Harvard Medical School
 
 
 
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01.01.2010