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Columbus brachte die Syphilis  
  Vor der Entdeckung Amerikas gab es bei uns weder Kartoffeln noch Tomaten und Kakao. Die Reisen in die Neue Welt brachten Europa allerdings nicht nur Segnungen: Einer neuen Studie zufolge hatten Columbus und seine Matrosen auch die Syphilis an Bord.  
Epidemie nach der Schlacht
Als der Franzosenkönig Karl VIII. im Jahr 1495 Neapel belagerte und schließlich einnahm, brach in der süditalienischen Stadt eine Seuche aus. Nach dem erfolgreichen Feldzug begaben sich die vornehmlich aus Söldnern bestehenden Truppen auf den Weg nach Hause, die unbekannte Infektionskrankheit nahmen sie in ihre Heimatländer mit.

Es war die Syphilis. Sie breitete sich daraufhin rasch aus und überzog Europa mit einer Epidemie. Bis zur Entdeckung der ersten Antibiotika blieb die sexuell übertragbare "Franzosenkrankheit", wie sie unter anderem genannt wurde, ein dunkler Begleiter des europäischen Lebens. Franz Schubert ging an ihr qualvoll zugrunde, vermutlich starben auch Friedrich Nietzsche und Heinrich Heine an der Infektionskrankheit.

Von Nietzsche ist jedenfalls bekannt, dass er im Januar 1889 wirre Schriftstücke, später "Wahnzettel" genannt, an seine Freunde verschickte und kurz darauf in einen Zustand geistiger Umnachtung fiel, was gut zum Krankheitsbild der Syphilis passen würde: Sie löst im Spätstadium mitunter massive Funktionsausfälle im Gehirn aus - etwa Demenz, Lähmungen und Sprachstörungen.
Zwei Hypothesen
Der Erreger der Syphilis ist das Bakterium Treponema pallidum, nachgewiesen bereits im Jahr 1905 durch die beiden Deutschen Fritz Schaudinn und Erich Hoffmann. Die Frage, wann und wie die Treponemen nach Europa gekommen sind, blieb bis heute unbeantwortet.

Die einen vermuteten, Christoph Columbus und seine Mannen hätten die Seuche im Jahr 1493 bei der Rückkehr von ihrer ersten Reise zu den Bahamas und den Antillen mitgebracht. Andere meinten, die Krankheit sei viel früher nach Europa gekommen. Hinweise auf letztere Hypothese meinte man an entsprechend alten Knochen entdeckt zu haben, die Merkmale der Krankheit aufzuweisen schienen.
Verwandtschaftsverhältnisse geklärt
Obwohl das komplette Genom von Treponema pallidum bereits im Jahr 1998 sequenziert wurde, gab es bislang kaum vergleichende Studien zum Syphilis-Erreger und verwandten Bakterien, etwa den Auslösern der endemischen Syphilis, der Tropenkrankheit Frambösie und der relativ harmlosen Hauterkrankung Pinta.

Hauptgrund dafür: Die Treponemen sind ziemlich schwer außerhalb ihres Wirtes zu züchten, manche Krankheiten aus der Treponema-Gruppe sind seit Jahren von der Bildfläche verschwunden - im Fall von Pinta weiß man beispielsweise nicht einmal, ob sie überhaupt noch existiert.

Kristin Harper von der Emory University hat nun in der Verwandtschaft des Syphilis-Erregers gesammelt, was in den Labors dieser Welt zu bekommen ist, und eine groß angelegte Stammbaumanalyse durchgeführt.
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Die entsprechende Studie, "On the Origin of the Treponematoses: A Phylogenetic Approach" ist im Open-Acces-Journal " PLoS Neglected Tropical Diseases" erschienen (2(1): e148; doi:10.1371/journal.pntd.0000148).
->   Studie
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Columbus-These dürfte stimmen
Der Vergleich von 26 Treponema-Stämmen aus fünf Kontinenten legt nahe: Die Columbus-These, einst als Fantasiegeburt abgetan, dürfte tatsächlich stimmen. Zumindest zeigt der Genvergleich, dass der Syphilis-Erreger später als alle anderen Treponema-Arten bzw. -unterarten entstanden ist. Und: Er ist am nähesten mit dem aus Südamerika stammenden Erreger der Frambösie verwandt.

"Das unterstützt die Hypothese, dass die Syphilis - oder eine ihrer Vorformen - aus der Neuen Welt stammt", sagt Studienleiterin Kristin Harper. Ihr Kollege George Armelagos merkt an: "Man könnte sagen, dass die Syphilis ein sehr frühes Beispiel der Globalisierung ist." Wobei hinzuzufügen wäre: Den Indigenen in Südamerika hat die von Columbus losgetretene Globalisierung auch einiges an Ungemach bereitet.

Robert Czepel, science.ORF.at, 15.1.08
->   Emory University
->   Syphilis - Wikipedia
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01.01.2010