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Quantenkryptographie: Gehackt oder sicher?  
  "Die Quantenkryptographie ist völlig abhörsicher." Dieser fast schon als Dogma geltende Satz schien 2007 gehörig angekratzt, als US-Physiker im Fachmagazin "Physical Review A" über eine Abhörattacke berichteten.  
Das Wissenschaftsmagazin "Nature" machte daraus unter dem Titel "Quantenkryptographie wurde gehackt" einen News-Beitrag, der einer der zehn meistgelesenen des Jahres 2007 wurde.
Antwort durch wissenschaftliche Publikation
Die "Schrecksekunde" der Quantenkryptographen dauerte mehr als ein halbes Jahr. Nun haben Experten der Austrian Research Centers gemeinsam mit der Uni Wien mit einer wissenschaftlichen Publikation geantwortet.

Sie kommen zum Schluss: Der "Nature"-Beitrag sei falsch, die Messungen und Argumentation der US-Forscher würden nicht ausreichen, um die Sicherheit der Quantenkryptographie infrage zu stellen.
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"Beweisbar sicher"
Quantenkryptographie gilt als neue Methode zur Erzeugung und Übertragung von absolut zufälligen Zahlenfolgen, die man zur Nachrichtenverschlüsselung verwenden kann. Sie basiert auf Quantenphänomenen und - so versichern Physiker - sie ist "beweisbar sicher", weil ihre Abhörsicherheit auf Naturgesetzen beruhe. Einer der Pioniere auf dem Gebiet ist der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger, der etwa 2004 in Zusammenarbeit mit den Austrian Research Centers (ARC) medienwirksam die weltweit erste Banküberweisung mit Hilfe der Quantenkryptographie durchgeführt hat.
->   Beitrag in science.ORF.at zur Banküberweisung
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"Nature" berichtete über "erfolgreichen" Hack-Angriff
Im April 2007 erschien dann eine Arbeit von Wissenschaftlern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) über eine experimentelle Attacke auf ein Standard-Verschlüsselungsprotokoll der Quantenkryptographie, die nach Meinung der US-Wissenschaftler als bisher "stärkste" derartige Attacke die Abhörsicherheit "auf die Probe stellte".

Zwei Tage später erschien ein Artikel auf der "Nature"-Homepage, in dem unter Bezug auf diese Arbeit vom ersten erfolgreichen Hack-Angriff auf eine Quantenverschlüsselung die Rede war.
->   Zum "Nature"-Beitrag (kostenpflichtig)
Reaktion im Internet ...
Zeilinger reagierte wenige Wochen nach diesen Publikationen in seinem Blog. Er bezeichnete den "Nature"-Artikel als "Beispiel von unseriösem Journalismus", dessen "reißerische Überschrift durch den Text selbst nicht bestätigt" werde, wobei "der Text ohnedies noch immer übertreibt".

Außerdem sei das alles "im Grundsatz schon lange bekannt".
->   Blog-Eintrag von Anton Zeilinger
... und als Paper
Dennoch ließ die Arbeit die Wissenschaftler nicht ruhen, stand doch das Konzept der Quantenkryptographie und deren mögliche Anwendung auf dem Spiel.

Ihre Antwort gaben nun Experten der Uni Wien und der ARC unter Federführung der Quantenphysikerin Isabelle Herbauts in Form einer wissenschaftlichen Publikation, die in der Vorwoche im "European Physical Journal" als "Highlight-Paper" erschienen ist.
->   Zum Paper (Volltext, .pdf)
Attacke keine reale Bedrohung
"Darin weisen wir nach, dass die Attacke der MIT-Kollegen keine reale Bedrohung für die Quantenkryptographie darstellt", betonte Herbauts gegenüber der APA. Weiters habe man nachweisen können, dass dieser Sicherheitsangriff nicht die, wie behauptet, stärkste Attacke auf ein Quantenkryptographie-System darstelle.

Vielmehr gelang es der Forscherin und ihren Kollegen, eine noch stärkere Attacke zu konstruieren - und gleichzeitig zu zeigen, dass die Quantenkryptographie selbst gegen diese immun ist.
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Internationales Netzwerk
Mehr Gelegenheit, die Sicherheitseinwände zu diskutieren, wird sich für die Wissenschaftler im September in Wien bieten. Dann werden sich internationale Quantenkryptographie-Gruppen, die mit verschiedenen Methoden arbeiten, zu einem großen Quantenkryptographie-Netzwerke zusammenschließen - als Ergebnis des von den ARC geleiteten EU-Projekts SECOQC.
->   Details zu SECOQC
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Richtige Mechanik und geschickte Mathematik
"Letztendlich hänge die Sicherheit der Quantenkryptographie von zwei Annahmen ab: dass die Quantenmechanik richtig ist und das verwendete mathematische Modell der Realität im Labor entspricht", sagte Herbauts. Denn wenn die Quantenmechanik richtig ist, wird jede versuchte Sicherheitsattacke im Quantensystem als Störung automatisch registriert. Der Lauscher hinterlässt quasi einen Fingerabdruck.

Selbst wenn ein Lauscher das System abhört, kann man nach Angaben der Wissenschaftler dennoch einen garantiert sicheren Schlüssel übermitteln, ohne dass dieser vom Spion erkannt werde. Notwendig dazu seien geschickte mathematische Methoden für die Weiterverarbeitung, die allerdings auf Kosten der für die Übertragung des Schlüssels notwendigen Zeit gehen.

"Die von den MIT-Forschern in ihrem Experiment erhobenen Daten reichen jedenfalls nicht aus, um die Unsicherheit der Quantenkryptographie zu zeigen", sind die österreichischen Forscher überzeugt.

[science.ORF.at/APA, 16.1.08]
->   Das Stichwort Quantenkryptographie im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010