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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Umweltzerstörung: Reich ruiniert Arm  
  US-Forscher haben zum ersten Mal die Schäden, die in armen Ländern aufgrund des Lebensstils in reichen und wohlhabenden Ländern entstehen, in Zahlen gegossen. Das Ergebnis klingt wie eine politische Forderung: Die Folgeschäden sind so hoch, dass sie bei den armen Ländern die offiziellen Staatsschulden übertreffen - und im Sinn einer globalen Gerechtigkeit erlassen werden sollten.  
Thara Srinivasan von der Universität Berkeley und ihre Kollegen räumen ein, dass ihre Studie heiße Diskussionen auslösen wird. Dennoch halten sie für wichtig, nach Wegen zu suchen, mit denen globale Zusammenhänge ökonomisch bewertet werden können.

"Wir möchten die Menschen zum Nachdenken anregen", sagt einer der Co-Autoren in einer Presseaussendung der Universität.
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Die Studie "The debt of nations and the distribution of ecological impacts from human activities" erscheint zwischen 21. und 25. Jänner 2007 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (DOI:10.1073_pnas.0709562104).
->   Zur Studie (nach Erscheinen online)
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Bisher Berechnungen nur für Einzelaspekte
Bisher gab es nach Angaben der Forscher keinen Versuch, aktuelle Umweltveränderungen vernetzt in ihrer ökonomischen Bedeutung zu erfassen.

Lediglich auf einzelne Entwicklungen sei bisher eingegangen worden, beispielsweise im "Millennium Ecosystem Assessment" 2005. Darin wird davon gesprochen, dass rund 60 Prozent aller beobachteten Ökoysteme weltweit derzeit zerstört oder nicht nachhaltig genutzt werden - die Kosten der Verluste wurden mit 250 Milliarden US-Dollar beziffert.
->   Millennium Ecosystem Assessment
Westlicher Lebensstil, globale Auswirkungen
Die Aussage, dass die armen Länder die Rechnung des aufwändigen Lebensstils in den reichen Regionen der Erde bezahlen müssen, würde zwar oft getätigt, konkrete Kalkulationen, wie groß der Schaden in Entwicklungsländern tatsächlich sei, fehlten aber, so die Wissenschaftler.

Thara Srinivasan und Kollegen wagten sich auf unsicheres Gelände und schufen einen Rahmen, mit dem sich die globalen Zusammenhänge beschreiben ließen. Dazu war in einem ersten Schritt Mut zur Reduktion nötig.
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Die Analysekategorien
Die Forscher schufen sechs Kategorien, in denen die Auswirkungen erfasst werden sollten:
- Klimawandel (Menge an Treibhausgasemissionen, besondere Wetterereignisse wie Stürme oder Überschwemmungen)
- Abbau der Ozonschicht (FCKW-Emissionen und Hautkrebsrate)
- Intensivierung und Ausdehnung der Landwirtschaft (Konsum von Agrargütern, aber auch z.B. Angaben über Grundwasserverschmutzung)
- Abforstung (Konsum von Landwirtschaftsgütern, die auf abgeholzten Flächen angebaut werden, Aus- bzw. Einfuhr von Holzprodukten)
- Überfischung (Verzehr von Fisch und Meerestieren)
- Verlust von Mangrovenwäldern (Verzehr von Shrimps aus Zuchtfarmen, die meist vor den mit Mangroven bewaldeten Küsten errichtet werden).
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Kunstwährung "Internationaler Dollar"
Die Berechnungen der Wissenschaftler stützen sich auf Studien und Berichte der Vereinten Nationen, mit denen sich Veränderungen in den Jahren 1961 bis 2000 nachzeichnen lassen. Auf Basis dieser Daten berechneten sie Prognosen bis ins Jahr 2100.

Die Kosten, die durch die Schäden verursacht wurden bzw. werden, erfassten die Forscher in der Kunstwährung "Internationaler US-Dollar", in der Kaufkraftunterschiede zwischen den Nationen eingerechnet werden.
->   Mehr zum "Internationalen Dollar" (Wikipedia)
96 Prozent der Shrimps werden exportiert
Um nur einige wenige Einzelergebnisse zu nennen: Arme und mittelmäßig-wohlhabende Staaten exportieren ihre Zuchtschrimps zu 96 Prozent in reiche Länder, arme Länder konsumieren nur zu 15 Prozent den in ihren Gewässern gefangenen Fisch.

Reiche Länder verantworten 70 Prozent der FCKW-Emissionen, arme hingegen nur 1,6 Prozent - sie leiden aber dafür überproportional unter den Hautkrankheiten, die durch die intensivere Sonneneinstrahlung verursacht werden.
Schwerer Fußabdruck
 
Bild: Thara Srinivasan

Schreibt man den zahlreichen Einflüssen konkrete Zahlen zu, zeigt sich: Der ökologische Fußabdruck, den reiche - übrigens ebenso wie mittelmäßig-wohlhabende - Staaten auf armen hinterlassen, war im Jahr 2005 2,5 Billionen Internationale US-Dollar schwer.

Umgekehrt "wiegt" der Fußabdruck der ärmsten Staaten auf den reichsten nicht einmal ein Drittel: 0,68 Billionen internationale US-Dollar (siehe Bild oben).
Reiche in der Schuld der Armen?
Die Forscher legen Wert darauf, dass die Zahlen nicht als absolute Werte zu sehen sind, sondern einen Eindruck der globalen Zusammenhänge geben sollen.

In der Presseaussendung lassen sie sich aber doch zu beinahe politischen Aussagen hinreißen: Der Schaden, den reiche Länder in armen anrichten, wiege in nur einem Jahr gleich schwer wie die gesamte Staatsschuld dieser Länder, heißt es dort.

Co-Autor Richard Norgaard von der Berkeley University: "Der enorme Schaden ist vielleicht einer der Gründe für die Armut. Eigentlich stehen die Reichen in der Schuld der Armen."

Elke Ziegler, science.ORF.at, 22.1.08
->   Thara Srinivasan (Universität Berkely)
->   Richard Norgaard (Universität Berkely)
->   Der Fußabdruck-Rechner in ORF.at
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->   Globales "Ökologie-Defizit" hat begonnen (10.10.06)
->   Studie: Menschheit lebt bereits auf zu großem Fuß (24.8.04)
 
 
 
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01.01.2010