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Stiefmütterchen bekam endlich korrekten Namen  
  Vor 111 Jahren wurde das allbekannte Garten-Stiefmütterchen von dem schwedischen Botaniker Veit Wittrock erstmals beschrieben, seither litt es unter einer botanischen Kuriosität. Auf eine wissenschaftlich korrekte Beschreibung wurde nämlich vergessen - auch von dem berühmten österreichischen Botaniker Helmut Gams.  
Nun aber ist es so weit: Die beliebte blau und violett, schwarz und weiß, gelb und braun strahlende Blume heißt seit kurzem korrekt Viola wittrockiana, erklärte der Biologe Johannes D. Nauenburg vom Botanischen Garten der Universität Rostock.
Kreuzung mehrerer Arten
"Das Garten-Stiefmütterchen ist schon etwas stiefmütterlich behandelt worden", sagt Nauenburg mit Blick auf die sonst so penible Wissenschaft.

Das liegt wohl darin begründet, dass die hübsche Zierpflanze schlicht ein Bastard ist: An der durch Kreuzungen entstandenen Sippe sind das Wilde Stiefmütterchen (Viola tricolor), das Gelbe Stiefmütterchen (Viola lutea) und andere Wildarten beteiligt.
Name 1925 erstmals erwähnt
Bild: dpa
Wittrock zu Ehren erhielt die Züchtung 1925 zwar den Namen Viola wittrockiana. Doch nach den strengen Maßstäben gültig veröffentlicht wurde die Bezeichnung nicht - was lange Zeit nicht auffiel.

Erst Nauenburg, der 1986 über wilde Stiefmütterchen promoviert hatte, erkannte den Mangel. "Ich fand keine gültige Diagnose, kein Zitat einer ersten Veröffentlichung."

Zusammen mit seinem Kollegen Karl Peter Buttler aus Frankfurt am Main fügte er dann ein Puzzle aus botanischen Arbeiten in Schweden, Dänemark, Österreich, Deutschland und England zusammen.
Österreichische Schlamperei
Der Schwede Wittrock hatte der Blume 1896 keinen Artnamen gegeben, weil es sich um eine Bastardform aus Kreuzungen handelte.

30 Jahre später prägte der österreichische Botaniker Helmut Gams zu Ehren von Wittrock den lateinischen Namen Viola wittrockiana, versäumte aber eine Dokumentation.

Gärtner übernahmen die Bezeichnung. "Der Name war eingebürgert, ohne korrekt beschrieben worden zu sein", erläutert Nauenburg.
Nun erfolgte überfällige Validierung
"In der Fachzeitschrift 'Kochia' haben wir jetzt den Namen validiert, das heißt, nach international vorgegebenen Regeln gültig gemacht", berichtet der Biologe. Dieses Verfahren kommt einer Neubeschreibung der Pflanze gleich.

"Die in Gärtner- und Botaniker-Kreisen geläufige Benennung ist damit gerettet", freut sich der Experte. "Man hätte die Pflanze auch völlig neu taufen können." Aber das Andenken an den schwedischen Erstentdecker sollte bewahrt werden.
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Wie Pflanzen zu ihren Namen kommen
Die wissenschaftlich korrekte Beschreibung aller neu entdeckten Pflanzen folgt bestimmten Regeln, die im Internationalen Code der Botanischen Nomenklatur festgehalten sind. Dazu gehört die lateinische Beschreibung, erklärte der Pflanzensystematiker Manfred A. Fischer von der Uni Wien gegenüber science.ORF.at. Zudem müsse jeder neue Name an ein Pflanzenindividuum gekoppelt werden - d.h. ein Belegexemplar der Pflanze muss in einem öffentlich zugänglichen Herbarium abgelegt sein.
->   Internationaler Code der Botanischen Nomenklatur (Wikipedia)
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Forscher verewigten sich
Wenn nun auf Balkonen und in vielen Blumentöpfen Garten-Stiefmütterchen sprießen, dann fällt ein kleiner später Ruhm von Viola wittrockiana auch auf die Beschreiber Johannes D. Nauenburg und Karl Peter Buttler.

Denn die allseits beliebte Blume heißt ab sofort exakt und für die Ewigkeit festgelegt: Viola wittrockiana Gams ex Nauenburg & Buttler.

Harro H. Müller, dpa, 23.1.08
[science.ORF.at]
->   Journal Kochia mit dem Stiefmütterchen-Artikel
->   International Plant Name Index
->   Botanischer Garten der Universität Rostock
->   Department für Botanik, Uni Wien
 
 
 
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01.01.2010