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Immer mehr Forscher schreiben von sich selbst ab  
  Das Phänomen des Plagiats, also des Abschreibens von anderen Autoren, ohne die Quelle zu nennen, ist mittlerweile gut bekannt; auch, dass die Welt der Wissenschaft davon nicht verschont bleibt. Dass Forscher aber auch dazu neigen, ihre eigenen Inhalte zu kopieren und in mehreren Zeitschriften zu veröffentlichen, belegen nun Mounir Errami und Harold Garner von der Universität Texas.  
Der Druck, immer längere Publikationslisten vorlegen zu müssen, immer mehr Journals, die nach Beiträgen suchen, und mangelnde Kontrollsysteme bei den Zeitschriften selbst seien die Hauptgründe, dass Autoren ihre Inhalte an mehreren Orten veröffentlichen, so Errami und Garner.

Mit einem von ihnen entwickelten Suchsystem konnten sie in "MedLine", einer der größten biomedizinischen Studien-Datenbanken, 70.000 Abstracts ausfindig machen, bei denen es sich um Duplikate handeln könnte.
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Der Kommentar "A Tale of Two Citations" ist am 24. Jänner 2008 in "Nature" erschienen (Band 451, S. 397-399).
->   "Nature"
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4,7 Prozent gaben Duplikate zu
Im Gegensatz zum Plagiarismus gibt es zum Phänomen des Abschreibens von sich selbst kaum Schätzungen. Zwei Hinweise aus früheren Studien führen Errami und Garner in ihrem Kommentar an: erstens die Analyse des Preprint-Servers arXiv, bei der sofwaregestützt 280.000 Veröffentlichungen untersucht wurden. Immerhin 10,5 Prozent wurden als Duplikate verdächtigt.

Als zweiten Annährungswert zitieren die Autoren eine 2002 durchgeführte, anonyme Umfrage unter 3.247 Forschern im Gebiet der Biomedizin. 4,7 Prozent von ihnen gaben damals zu, bereits mehrmals die gleichen Ergebnisse mehrfach publiziert zu haben.
->   arXiv: Fast 70 Studien wegen Plagiarismus entfernt (10.9.07)
Medline: 1,35 Prozent Duplikate
Das Team von Errami und Garner entwickelte am Southwestern Medical Center der Universität Texas eine Software zur Dokumentenanalyse. Nicht nur die Übereinstimmung von Wörtern kann damit untersucht werden, sondern auch die Wortfolge und die Ähnlichkeit ganzer Textblöcke.

Erprobt wurde das Tool an "Medline", einer der größten Datenbanken weltweit für biomedizinische Studien. 62.000 Abstracts wurden analysiert, 421 mögliche Duplikate entdeckt und in einer Datenbank mit dem passenden Namen "Déjà Vu" veröffentlicht. Um unter den Verdächtigen die wirklichen Übeltäter zu finden, wurden die Software-Treffer durch Menschen gesichtet. Das Endergebnis: 0,04 Prozent waren Plagiate, 1,35 Prozent Duplikate von eigenen Texten.
->   Medline
Zirka ein Prozent Duplikate
Der Prozentsatz von rund einem Prozent Duplikate wurde nochmals bestätigt, als die Suche auf sieben Millionen Abstracts ausgedehnt wurde: Auch hier fand die Software 70.000 hochgradig ähnliche Papers.

Würde man die rund 17 Millionen Studien analysieren, die derzeit über Medline verfügbar sind, käme man nach diesem Schlüssel auf mehr als 170.000 Papers, die mehrfach veröffentlicht wurden.
->   Zur "Déjà Vu"-Datenbank
Studien werden gleichzeitig eingereicht
Mehrfachveröffentlichungen werden von den Copyright-Regeln der meisten Zeitschriften ausdrücklich verboten. Dass diese Regeln bewusst von vielen Forschern gebrochen werden, haben Errami und Garner anhand der Publikationsdaten herausgefunden: Der Peer-Review-Prozess einer in "Medline" veröffentlichten Studie dauert durchschnittlich 4,3 Monate.

Nach zehn Monaten haben 97 Prozent der Studien das Peer-Reviewing durchlaufen. Mehr als ein Drittel der Duplikate erscheint aber weniger als fünf Monate nach der ersten Publikation, d.h. die Studien wurden kurz nacheinander eingereicht. Einige Papers in der "Déjà Vu"-Datenbank wurden sogar im gleichen Monat an verschiedene Zeitschriften geschickt.
Kein Einzelereignis, sondern ein Trend
 
Bild: Nature

Die Untersuchungen von Errami und Garner belegen, dass es sich bei den Eigen-Duplikaten um keine vereinzelten Ereignisse, sondern um einen Trend handelt. Wie die Grafik oben zeigt, steigt parallel zur zunehmenden Zahl publizierter Studien auch die Zahl der Duplikate.

Errami und Garner sehen dafür jeweils einen Hauptgrund auf Seiten der Autoren und einen bei den Magazinen: Forscher müssen heute immer längere Publikationslisten vorlegen, um bei Bewerbungen erfolgreich zu sein. Eine "einfache" Möglichkeit, die Liste zu verlängern, ist die Publikation eines Ergebnisses in mehr als einer Zeitschrift. Die Journals wiederum würden zu wenig kontrollieren, ob Studien nicht auch schon wo anders zu lesen waren.
Sind mehrfache Veröffentlichungen immer schlecht?
Dass Veröffentlichungen in mehreren Zeitschriften prinzipiell auch etwas Positives sein können, weil dadurch Informationen an ein größeres Publikum gelangen, räumen Errami und Garner durchaus ein.

Dann müsste aber auch die Länge der Publikationslisten von Forschern weniger wichtig genommen werden - und von einem Trend in diese Richtung ist derzeit nichts zu bemerken.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 24.1.08
->   Mounir Errami
->   Harold Garner
->   Das Stichwort "Plagiat" in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010