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Biologische Kunstorgane "in Arbeit"  
  Nachdem vor wenigen Tagen Wissenschaftler mit ihrem biologischen Kunstherz für Aufsehen gesorgt haben, wollen sie nun einen Schritt weitergehen und auch andere Organe nachbilden.  
Beim Rattenherz haben die Forscher alle Zellen ausgewaschen, bis nur noch das Grundgerüst übrig war. Dieses wurde mit frischen Zellen besiedelt und das Herz wieder zum Schlagen gebracht.

Nach dem gleichen Verfahren sollen nun auch Lungen gebildet werden, erklärte der leitende Wissenschafter der Versuche, der österreichische Chirurg Harald Ott von der Harvard Medical School.
Organe für Transplantationen fehlen
Es klingt schon ein wenig nach Frankenstein, was die Gruppe um den 30-jährigen Ott hier tut, doch angesichts des weltweiten Organmangels bleibt nichts unversucht, kranke Organe zu ersetzen.

Dafür kamen bisher nur mechanische Nachbildungen bzw. Spenderorgane infrage. Stammzellen gelten zwar als große Hoffnung, doch von deren Anwendung ist man noch weit entfernt.

Mittlerweile schafft man zwar, Stammzellen dazu zu bringen, sich zu Zellen bestimmter Organe zu bilden. Aber wie daraus vielleicht einmal ein komplett neues Organ entstehen soll, weiß noch niemand. Einen möglichen Weg haben nun die Wissenschafter um Ott aufgezeigt.
Auf Gerüst werden Herzzellen angesiedelt
Sie haben aus Herzen ausgewachsener Ratten mit einem speziellen Dezellularisierungs-Verfahren alle Herzzellen ausgewaschen, so dass nur noch ein Gerüst aus sogenannter extrazellulärer Matrix (ECM) übrig geblieben ist.

Auf diesem Gerüst siedelten sie frische Herzzellen von neugeborenen Ratten wieder an, wobei die ECM gleichsam als Orientierungshilfe für die Zellen dient. In einer speziellen Apparatur wurde Flüssigkeit rhythmisch durch den Herzmuskel gepumpt und das Herz elektrisch stimuliert.

Nach vier Tagen beobachteten die Forscher, wie sich das Herz rhythmisch zusammenzog, am achten Tag erreichte es eine Pumpleistung von etwa zwei Prozent von jener eines erwachsenen Herzens.
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Video des künstlichen Herzens
Nach Angaben des Studienautors Harald Ott wurde die Videoaufnahme acht Tage nach "Rezellularisierung" gemacht (Copyright: University of Minnesota, Center for Cardiovascular Repair, HC Ott and DA Taylor).
->   Video (wmv-Datei)
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Keine Abstoßung
Laut Ott wurde in vitro sowie im Tierversuch festgestellt, dass die ECM "in hohem Maße biokompatibel" sei und in bisherigen Versuchen kein Hinweis auf Abstoßung zwischen der ECM und den neuen Zellen festgestellt wurde.

Eine Erklärung dafür könnte sein, dass sich die ECM "sehr konservativ entwickelt hat und daher zwischen Säugetieren sehr ähnlich ist", so Ott. Es seien aber noch weitere Versuche notwendig, um das zu bestätigen.
Kombination von Mensch- und Schweineherz?
Diese Biokompatibilität der ECM könnte der Xeno-Transplantation wieder zu Rückenwind verhelfen, zumindest in Ansätzen: So sind Schweineherzen von der Architektur her dem menschlichen Herz sehr ähnlich.

Gelänge es, ein dezellularisiertes Schweineherz mit menschlichen Herzzellen zu besiedeln, könnte es als Organersatz am Menschen eingesetzt werden. Davon ist man aber noch weit entfernt.

Dennoch ist es bereits gelungen, Schweineherzen zu dezellularisieren, so Ott. Versuche, darauf wieder Zellen anzusiedeln, seien in Planung.
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Die Gruppe von Ott veröffentlichte vor kurzem die Studie "Perfusion-decellularized matrix: using nature's platform to engineer a bioartificial heart" in "Nature Medicine" (doi:10.1038/nm1684).
->   Abstract der Studie
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Künstliche Lunge ist nächstes Projekt
Ebenso haben die Wissenschaftler das Dezellularisierungs-Verfahren für andere Organe entwickelt, konkret für Lunge, Leber und Niere. "Ich will als nächsten Schritt versuchen, Lungen-ECM mit Zellen zu besiedeln", sagte Ott.

Der Vorteil von Lunge, Leber und Niere sei, dass im Gegensatz zum Herzen keine aktive mechanische Arbeit geleistet werden müsse.

"Gelingt es, die richtigen Zellen korrekt in die Architektur des Organs anzusiedeln, könnte die erste Hürde zur Organbildung genommen sein", betonte Ott.
Kombination mit Stammzellen möglich
Stammzellen hat die Gruppe um Ott bisher noch nicht dafür verwendet. "Unser primäres Ziel war es zu zeigen, dass sich die dezellularisierte Organ-Matrix zur Herstellung von bioartifiziellen Organen eignet", begründet Ott die Verwendung von Neugeborenen-Herzzellen.

Der Wissenschaftler hat noch in seiner Zeit in Minneapolis, wo er vor Harvard tätig war, an einem künstlichen Herz gearbeitet, das auf adulten Stammzellen basierte.

Tatsächlich gelang es ihnen, solche adulten Stammzellen aus erwachsenen Rattenherzen zu isolieren und sie in Richtung Herzzellen zu differenzieren, was vergangenes Jahr auch von "Nature Clincical Practice" publiziert wurde.
Klinische Versuche frühestens in zehn Jahren
"Weitere Versuche sollen nun zeigen, ob es uns möglich sein wird, Herzgewebe unter Verwendung solcher Zellen herzustellen", so Ott.

Nach Ansicht Otts ist man "zumindest noch zehn Jahre von den ersten klinischen Versuchen entfernt".

Es werde davon abhängen, was sowohl die Stammzellforschung als auch der Bereich "Tissue Engineering" (Züchtung von Geweben, Anm.) in den nächsten Jahren bringe.

[science.ORF.at/APA, 28.1.08]
->   Massachusetts General Hospital/ Harvard Medical School (Abt. für Chirurgie)
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Kunstherz aus körpereigenen Zellen (14.1.08)
 
 
 
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01.01.2010