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England: Studenten als Kunden, Strafen für Unis  
  Eine gesetzlich verankerte Studenten-Ombudsstelle, die empfindliche Strafen für Universitäten aussprechen kann und sie dazu bringt, Studenten als Kunden zu sehen - von solchen Bedingungen ist man in Österreich noch weit entfernt. In England und Wales ist sie hingegen Realität.  
Gebühren veränderten Rolle der Studenten
Als die britische Regierung 2004 die Studiengebühren für Hochschulen kräftig auf umgerechnet mindestens 4.500 Euro pro Jahr erhöhte, wurde gleichzeitig auch ein Ombudsmann-System vorgesehen. Das "Office of the Independent Adjudicator for Higher Education" (OIAHE) wurde ein Jahr später gegründet.

"Mit den hohen Gebühren hat sich auch das Verhältnis zwischen Universitäten und Studenten geändert, die Studenten sind damit zu Kunden geworden", erklärt Michael Reddy, stellvertretender Leiter des OIAHE. Gleichzeitig habe man auch Rechtsanwälten den Wind aus den Segeln nehmen wollen, die als Rechtsvertreter unzufriedener Studenten Klagen gegen Unis und darauffolgende Prozesse als erfolgversprechende Einnahmequelle gesehen haben.

Reddy hat in den vergangenen Tagen den österreichischen Studenten-Ombudsmann, Josef Leidenfrost, in Wien getroffen, um die diesjährige Konferenz des europäischen Netzwerks der Studenten-Ombudsleute in London vorzubereiten.
Finanziell und inhaltlich unabhängig
Die britische Ombudsstelle wurde auf Geheiß der Regierung eingerichtet, sie ist aber völlig unabhängig, und die 147 Hochschulen in England und Wales müssen sie selbst finanzieren. Dafür wurde ihnen erlaubt, die Beschwerde-Regeln selbst mit zu definieren.

Derzeit verfügt sie über ein Budget von rund 1,8 Mio. Pfund (2,42 Mio. Euro) und 27 Mitarbeiter (16 Vollzeit-Äquivalente). Gleichzeitig wurden die Unis dazu verpflichtet, eigene standardisierte Beschwerdeverfahren einzurichten. Erst wenn ein Beschwerdeführer diese lokalen Verfahren ausgenutzt hat, kann er sich an das OIAHE wenden.
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600 Beschwerden im letzten Jahr
2007 langten beim OIAHE rund 600 Beschwerden ein, um etwa 25 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Rund ein Viertel davon stelle sich als gerechtfertigt heraus, betonte Reddy. In solchen Fällen kann die Ombudsstelle Empfehlungen an die Universität aussprechen, etwa den Fall nochmals zu begutachten oder interne Prozesse zu ändern. "Wir können aber auch Kompensations-Zahlungen an den Studenten empfehlen", sagte Reddy.
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350.000 Euro Strafe
In einem spektakulären Fall hat das OIAHE etwa eine Zahlung in Höhe von umgerechnet 350.000 Euro an eine Gruppe von Studenten empfohlen, die für einen Studiengang zugelassen wurden, der noch nicht akkreditiert war (in Großbritannien müssen Studiengänge, die zu einer Berufsberechtigung führen, akkreditiert werden, Anm.). Diese "Strafe" wurde von einem College in Oxford schließlich auch tatsächlich bezahlt.

Angesichts solcher Maßnahmen verwundert es nicht weiter, dass die Unis "uns am Anfang skeptisch gegenüberstanden", so Reddy. Doch mittlerweile seien die meisten Hochschulen kooperativ, schließlich bringe die Ombudsstelle durch klare Regeln auch "Sicherheit" für sie. Die Alternative wäre oft eine Auseinandersetzung vor Gericht.

Reddy betonte, dass die Ombudsstelle kein Gericht sei, und auch nicht "dafür da ist, die Universitäten zu bestrafen". Wenn Unis aber eindeutig gegen Regeln verstoßen, sollten Studenten entschädigt werden.
Österreich: Keine Sanktionen, kein Gesetz
Die österreichische Studenten-Anwaltschaft wurde 2001 beim Bildungsministerium eingerichtet. Sie ist nicht gesetzlich verankert und hat keine Sanktionsmöglichkeiten. Bei Beschwerden ist sie auf den Good-Will der Unis angewiesen.

Derzeit langen rund 6.000 Anfragen pro Jahr ein, darunter auch viele Informationswünsche und rechtliche Auskünfte. Derzeit umfasst das Team der Anwaltschaft, die über kein eigenes Budget verfügt, 2,5 Vollzeit-Beschäftigte sowie einige weitere Mitarbeiter des Wissenschaftsministeriums für den Hotline-Telefondienst.

Im Regierungsprogramm ist eine "Steigerung der Effizienz der Studierendenanwaltschaft" vorgesehen. Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) hatte sich im Vorjahr bei einem Besuch der OIAHE dafür ausgesprochen, dass die Studentenanwaltschaft "durchschlagskräftiger" werden soll, wobei das britische Modell als Orientierung dienen könne.

[science.ORF.at/APA, 29.1.08]
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01.01.2010