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Molekülkleber reguliert auch Gen-Aktivierung  
  Vor zehn Jahren haben Wiener Forscher eine Art Klebstoff im Inneren der Zellen des Menschen entdeckt. Nun sind sie einer weitere Funktion dieser Proteine auf die Schliche gekommen.  
Der ringförmige Eiweißkomplex wacht nicht nur darüber, dass sich vermehrende Zellen nicht zu früh teilen.

Er dient offenbar auch als "Isolator" für die DNA und kann auf diese Weise die Aktivierung von Genen verhindern, berichtet eine Arbeitsgruppe um Jan-Michael Peters vom Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien.
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Die entsprechende Studie "Cohesin mediates transcriptional insulation by CCCTC-binding factor" ist online in "Nature" (DOI: 10.1038/nature06634; 30.1.08) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Klebstoff bei der Zellteilung
 
Bild: IMP

Chromosomen einer menschlichen Zelle vor der Teilung. Die verdoppelten Schwesterchromatiden sind rot gefärbt, Cohesin grün

Der Startpunkt: Vor einem Jahrzehnt hat eine Gruppe um den damaligen IMP-Chef Kim Nasmyth einen zentralen und verblüffend einleuchtenden Mechanismus bei der Zellteilung entdeckt.

Sie identifizierten das Cohesin, das sich als ringförmiges Molekül über die verdoppelten Chromosomen schiebt und diese präzise zusammenhält, bis der geeignete Zeitpunkt zur Trennung gekommen ist. Vorübergehend fungiert der Komplex somit als "Klebstoff".
Zweite Funktion beim Ablesen der Gene
Jan-Michael Peters, Senior Scientist am IMP, und sein Team beschäftigten sich aber weiterhin mit dem Cohesin. Der Wissenschaftler: "Es gibt offenbar eine zweite Funktion von Cohesin. Wir haben über die gesamte menschliche Erbsubstanz hinweg untersucht, wo dieser Komplex überall an der DNA bindet. Es sind rund 9.000 verschiedene Stellen."

Das deutete darauf hin, dass Cohesin eben eine Rolle bei der Stilllegung bzw. der Aktivierung von Genen haben könnte.

Wie die Forscher berichten, wirkt das Molekül als Regulator der Genexpression, spielt also beim Ablesen der Gene eine wichtige Rolle. Diese Funktion erfüllt das Molekül völlig unabhängig von der bisher bekannten Aktivität.
Unterdrückt Genexpression
Ob Gene in einer bestimmten Situation abgelesen werden und wie intensiv dieser Vorgang abläuft, wird durch verschiedene hemmende und fördernde Elemente innerhalb der Erbsubstanz beeinflusst.

"Promotoren" starten den Ablesevorgang, "Enhancer" verstärken ihn, "Silencer" unterdrücken ihn. Peters: "Cohesin dürfte offenbar die 'Enhancer' unterdrücken und damit das Ablesen von Genen unterdrücken."

Der Proteinkomplex fungiert hier als eine Art Isolator zwischen den Genexpressions-fördernden Proteinen und der DNA selbst.
Medizinische Anwendungen möglich
Diese neue Entdeckung bereichert nicht nur die Grundlagenforschung um eine weitere fundamentale Erkenntnis. Sie dürfte auch von medizinischem Interesse sein: eine Reihe von zwar seltenen, jedoch schweren Erkrankungen werden auf Mutationen im Cohesin-Gen zurückgeführt.

Läuft die Regulation der Genexpression aus dem Ruder, so sind Entwicklungsstörungen die Folge. Die Palette der Symptome reicht von subtilen und schwer zu diagnostizierenden Veränderungen bis hin zu massiven körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen.

[science.ORF.at/APA, 30.1.08]
->   Arbeitsgruppe Peters am IMP
 
 
 
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01.01.2010